SRF: Es war lange ein Kopf-an-Kopf-Rennen – was hat jetzt den Ausschlag gegeben für dieses deutliche Resultat?
Peter Balzli: Offensichtlich hat Alexander Van der Bellen seine Wähler besser erreicht, er hat besser mobilisiert. Das ist doch eine Überraschung, denn Norbert Hofer war in praktisch allen TV-Duellen der bessere Kandidat, er hat seinen Gegner oft in die Defensive geschlagen – aber er war dabei auch oft herablassend und beleidigend, und das hat die Wählerschaft offenbar nicht goutiert. Letztlich geht es hier um das Amt des Bundespräsidenten, und das verlangt in erster Linie Würde und Übersicht und nicht so sehr Aggressivität und Schlagfertigkeit.
Diese Wahl ist ein Wendepunkt in der politischen Kultur Österreichs.
Wie geht es nun weiter mit der Politik in Österreich mit dem neuen Bundespräsidenten?
Dieses Ergebnis zeigt, dass der von vielen erwartete Rechtsrutsch in Österreich aufgehalten ist – oder vielleicht aufgeschoben. Aufgeschoben deshalb, weil die meisten Fachleute hier erwarten, dass die grosse Koalition in den nächsten Wochen oder Monaten auseinanderbricht und dass es zu Neuwahlen kommt. Dort liegt Hofers FPÖ in allen Umfragen vorne. Das Spiel ist sicher noch nicht aus – nur ein Kapitel ist vorüber.
Die Wahlen scheinen ein gespaltenes Land zu hinterlassen – sehen Sie das auch so?
Auf jeden Fall, und ich würde sogar noch weiter gehen: Diese Wahl ist ein Wendepunkt in der politischen Kultur Österreichs. Noch nie war ein Wahlkampf so aggressiv, so schmutzig. Ich denke, diese politische Un-Kultur wird bleiben, auch bei den nächsten Parlamentswahlen.