Mit vier Musikstücken, vier Gemälden und einem offenen SOS-Brief an internationale Medien ruft der Komponist, Maler und Schriftsteller Ali Alezzi aus Bagdad im Namen seiner Landsleute die Welt um Hilfe. Er möchte, dass die internationale Gemeinschaft auf die irakische Regierung einwirkt, um das Morden zu stoppen und die Mörder zur Verantwortung zu ziehen. Alles, was Irakerinnen und Iraker sich wünschten, sei Schutz vor Gewalt und Freiheit und Würde.
«Irak: Land ohne Gesetz und Würde»
Vier Songs hat Alezzi in diesen Tagen über sein Land geschrieben. Der erste heisst: «Violation» (übersetzt: Verletzung, oder Missbrauch). Weder Gesetz noch Würde gebe es im Irak, schreibt der Künstler über dieses Stück. Was er damit meint: Jeden Tag verschwinden auf dem Tahrir-Platz in Bagdad Menschen, weil sie für Gesetz und Würde demonstrieren. Oder sie kommen um.
«Überall sind Milizen und wenn ein Demonstrant den Tahrir-Platz verlässt, um nach Hause zu gehen, verfolgen sie ihn, bringen ihn um, entführen oder bedrohen ihn», sagt der 34-Jährige.
«Die Politiker zeigten ihr wahres Gesicht»
Das zweite Stück heisst: «Recovery» (übersetzt: Erholung, oder Wiederherstellung). Es thematisiert die Notwendigkeit, die tiefen Gräben zwischen den verschiedenen konfessionellen Lagern im Irak zu überwinden. Das sei aber noch schwieriger geworden, nachdem die USA Anfang Jahr den iranischen General Qassem Soleimani im Irak umgebracht haben.
«Zuerst unterstützten die Politiker die Proteste und sagten, sie stünden auf der Seite der Bevölkerung und würden uns vor den iranischen Milizen im Irak beschützen», sagt Alezzi. «Doch nach der Ermordung des iranischen Generals Soleimani zeigten sie ihr wahres Gesicht.» Sie hätten gesagt, die Demonstrationen müssten sofort aufhören, denn jetzt gehe es darum, die US-Truppen aus dem Land zu werfen. «Unsere Politiker sind in erster Linie Iran-treu!», sagt der Künstler.
Juden und Christen wurden vertrieben
Das dritte Stück heisst «Nostalgia» (übersetzt: Nostalgie) und ist eine Hommage an die jüdischen Wurzeln der irakischen Volksmusik. Alezzi drückt die Sehnsucht nach einem Irak aus, in dem Juden, Christen und Muslime zusammenlebten. Heute gibt es im Irak fast keine Juden mehr, sie wurden nach der Gründung Israels brutal vertrieben, ebenso wie rund Zweidrittel der Christen im Krieg mit dem IS.
«Heute hetzen Politiker Muslime gegeneinander auf, und die Demonstranten, die das kritisieren, werden umgebracht. Wir haben das Vertrauen in unsere Regierung verloren», sagt der Künstler.
Warten, einfach warten
Das vierte und letzte Stück heisst: «The Waiting» (übersetzt: das Warten). «Der Irak ist Jahr für Jahr gleich», sagt Alezzi. Es gehe um Korruption, um miserable staatliche Dienstleistungen und um Gewalt. Die irakische Bevölkerung brauche und hoffe auf Schutz vor ihrer Regierung.
Darauf wartet der Mitdreissiger schon sein ganzes Leben. Und das Warten auf bessere Zeiten geht weiter; erstmal wartet die Bevölkerung wiedereinmal auf eine neue Regierung.