Das Wichtigste in Kürze
- Flüchtlinge in Griechenland sollen einen Ausweis und Geld erhalten, damit sie selbst für sich sorgen können.
- Auf griechischem Territorium halten sich rund 60‘000 Flüchtlinge auf, die vor allem aus Syrien stammen. Die meisten sind landesweit in 34 Lagern untergebracht.
- In den Lagern herrsche immer noch ein Chaos, sagt Journalistin Corinna Jessen.
- Seit dem 25. März 2016 (Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei) leben in Griechenland zwei Gruppen von Flüchtlingen, die gesetzlich verschieden behandelt werden.
SRF News: Was erhofft sich der griechische Einwanderungsminister davon, wenn die Flüchtlinge auf griechischem Territorium Ausweise erhalten sollen? Ist das eine menschliche oder eine politische Geste?
Corinna Jessen: Es ist beides. Es ist einerseits der Versuch des Staates, etwas Ordnung und bessere Kontrolle in dieses doch immer noch unübersichtliche Chaos zu bringen. Es ist andererseits auch für die Flüchtlinge durchaus positiv, wenn diese Massnahmen umgesetzt würden, zum Beispiel das Versprechen, dass es nur noch feste Behausungen geben soll. In den meisten Hotspots und in den Lagern auf dem Festland sind es schon Containerhäuschen. Geld auszuzahlen statt von Suppenküchen abhängig zu sein, gibt den Flüchtlingen natürlich mehr Autonomie und Selbstbestimmung. Mit einem Ausweis ist es für die Flüchtlinge auch viel einfacher, ihren Aufenthalt zu verlängern.
Sie haben gesagt, es herrsche immer noch Chaos. Hat man diese Situation nicht besser in den Griff bekommen?
Die jetzige Situation ist noch recht neu. Nach dem 25. März 2016 – dem Tag des Abkommens mit der Türkei – gibt es sozusagen zwei Fronten in Griechenland. Einerseits sind da die Migranten, die bereits auf dem Festland waren und andererseits die ungefähr 16’000 Menschen, die seither neu angekommen sind. Für die beiden Gruppen gelten unterschiedliche gesetzliche Bedingungen. Es war für Griechenland eine sehr schwierige Aufgabe, sie überhaupt unterzubringen. Ein weiteres Problem sind die Asylverfahren auf den Inseln, die sehr schleppend vorangehen.
Die EU hat ihr Versprechen nicht eingehalten, 400 Asylexperten zu schicken.
Wo steht man eigentlich in Bezug auf den EU-Türkei Flüchtlingspakt?
Es sollten alle die in die Türkei zurückgebracht werden, die kein Anrecht auf Asyl in der EU haben. Das Problem ist, dass so gut wie alle, die nach dem 25. März angekommen sind, einen Asylantrag gestellt habe. Sie gehen bis in die zweite Instanz. Das heisst, es dauert Monate, bis diese Verfahren bearbeitet sind. Auch die EU hat ihr Versprechen nicht eingehalten, 400 Asylexperten zu schicken, bis jetzt sind rund 40 gekommen. Griechenland selbst verschleppt die Verfahren, weil es überfordert ist. Insofern steht man längst nicht da, wo man hätte stehen wollen. Und die Menschen auf den Inseln sind sehr verzweifelt, weil sie nicht vor und nicht zurück können.
Kommen noch Syrer in Griechenland an?
In den vergangenen Monaten kamen auf den griechischen Ägäisinseln hauptsächlich junge Männer aus Nordafrika an. Sie flogen ohne Visum in die Türkei und setzen von dort aus über. Sie haben überhaupt keine Chance auf Asyl. Sie warten darauf, dass die Asylanträge bearbeitet werden. Man muss davon ausgehen, dass sie dann wieder zurückgeführt werden. Wie gesagt, das dauert Monate und da staut sich sehr viel Aggression an.