Narendra Modi steigt vom Himmel herab. Und zwar in einem Armeehelikopter. Dieser landet spektäkulär an einer Wahlveranstaltung in Mizarpur. Das Publikum wurde bereits von der sengenden Sonne und von Vorrednern angeheizt. Alle wollen Modi sehen. Zehntausend Handys sind auf den Mann mit dem schlohweissem Bart gerichtet.
Modi erscheint vor den Massen beinahe wie ein Heiliger. «Er ist unser Gott», sagt Rita Singh Patel. «Er wird die Armut aus Uttar Pradesh vertreiben.»
Indiens grösster Gliedstaat ist zugleich einer der ärmsten. Viele ziehen von hier in die Ballungszentren von Delhi oder Mumbai um als Tagelöhner zu arbeiten. Wer bleibt, der hofft auf bessere Tage. Diese hat ihnen Modi versprochen als er 2014 Premierminister wurde. Das komme noch, sagen die Leute hier.
Der Automechaniker Mangla Parsad Dubey hat sich extra für Modi in Safran-farbene Kleider gehüllt, die Parteifarbe der Bharatiya Janata Party, kurz BJP. «Modi kämpft gegen Pakistan! Er wird's den Müttern der pakistanischen Soldaten zeigen», ruft der Mechaniker und stösst damit offenbar auf Anklang.
Narendra Modi spricht ruhig und langsam, nicht von der Kanzel herab, sondern mit den Leuten: «Vor 13 Jahren – 13! – versprach Euch die Kongress-Partei eine Brücke über den Ganges. Vor wie vielen Jahren, Brüder?» – «13!» ruft ihm die Menge zu. «Nun», fährt er fort, «das muss eine sehr schöne Brücke sein».
Das Publikum liebt seinen Spott. Tatsächlich verbindet nur eine Pontonbrücke Mizarpur mit Varanasi, der nächstgrösseren Stadt, für die man zudem einen Brückenzoll von 25 Rupien pro Autofahrt bezahlen muss.
Partei setzt auf Karte Modi
Narendra Modi weiss, wo der Schuh drückt. Auch wenn er im entfernten Delhi sitzt. Seine hindu-nationalistische Partei ist in der Hauptstadt zwar an der Macht, doch hier in Uttar Pradesh spielt Modi die Aussenseiterrolle. Denn in den letzten Jahren hielten hier zwei regionale Parteien das Ruder in der Hand. Der Premier höchst persönlich soll das nun ändern.
Seine Partei bemühte sich nicht einmal einen Spitzenkandidaten zu ernennen, der bei einem Sieg, die künftige Regierung von Uttar Pradesh formen soll. Sie hat die Wahlen zur Chefsache erklärt. Das zeigt, wie wichtig Uttar Pradesh für die Regierungspartei ist.
Der Staat stellt so viele Sitze im indischen Parlament wie kein anderer. Ein Sieg hier könnte der Partei mittelfristig eine Mehrheit in beiden Kammern bescheren. Verschiedene Reformprojekte, etwa im Arbeitsrecht oder beim Landerwerb, sind bisher im Oberhaus gescheitert. Deswegen setzt die BJP alles auf die Karte Modi.
Schlange stehen wird zur Kampfansage
Die nächsten nationalen Wahlen finden 2019 statt. Unklar ist vor allem, wie sich die umstrittene Bargeldreform auswirken wird. Im Oktober wurden die beiden grössten Geldscheine über Nacht wertlos umvordergründig Schwarzgeld und Korruption zu bekämpfen. Über 80 Prozent des Bargeldes musste umgetauscht werden. Gerade auf dem Land sorgte das für Unmut, da sich nicht in jedem Dorf eine Bank befindet.
Dennoch halten die Leute an der Wahlveranstaltung zu Modi: «Wir Armen litten vor wie nach der Reform, jetzt aber leiden auch die Reichen», sagt dieser Bauer. Eine Aussage, die man oft hört in Uttar Pradesh.
«Wir müssen nun zusammenhalten im Kampf gegen Korruption» sagt Narendra Modi ganz am Schluss seiner Rede und kommt damit auf die Bargeldreform zu sprechen. Geschickt verwandelt er das lange, mühsame in der Schlange stehen vor den Bankomaten in eine kollektive Aktion gegen Steuerhinterziehung.
Einen Monat dauerten die Wahlen in Indiens grösstem Bundesstaat, Uttar Pradesh. Über 200 Millionen Menschen leben hier. Wäre der Gliedstaat unabhängig, wäre er das fünftgrösste Land, noch vor Brasilien.