Am Anfang stehen drei Buchstaben: A, B oder C. Nach dem Modell des «risikoorientierten Sanktionenvollzugs» (ROS) werden die verurteilten Straftäter in eine dieser drei Kategorien eingeteilt. Allein im Kanton Zürich werden so etwa 3000 Fälle pro Jahr einer der Kategorien zugeordnet.
«Das machen wir aufgrund von Strafregisterauszügen», sagt Thomas Manhart, Leiter des Zürcher Amts für Justizvollzug. Darin sehe man, wann, wie oft und für welche Delikte jemand verurteilt worden sei. Vor allem Sexual- und Gewaltdelikte führten dazu, dass jemand als potenziell gefährlich eingestuft wird und in der Kategorie C landet.
Enges Netz zur Erkennung von Gewalttätern
Anders als früher sei es mit diesem Verfahren auch möglich, möglicherweise gefährliche Täter zu erkennen, die ohne dieses konsequente Screening nicht aufgefallen wären. «Es kann sein, dass jemand wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand verurteilt wird, in Tat und Wahrheit aber auch eine grosse Gewaltthematik hat.» Das seien die Fälle, die bisher durch die Maschen gefallen seien, so Manhart.
400 verurteilte Personen pro Jahr wurden in den Kantonen Zürich, Luzern, Thurgau und St. Gallen in den Jahren dieses Pilotprojekts als C-Fälle eingestuft. Sie wurden in der Folge genauer angeschaut und konsequent begleitet. Damit betraut war ein überschaubares Team von Fachleuten; vom Psychiater bis zum Gefängnisdirektor.
Umstritten: Das Arztgeheimnis wird aufgeweicht
Wie verhält sich der Straftäter im Gefängnis? Wie reagiert er auf die Therapie? Die Fachleute sind in ständigem Austausch. So soll gesichert sein, dass im entscheidenden Moment richtig entschieden wird, wenn es um Fragen geht wie: Bekommt dieser Vergewaltiger Urlaub?
Das alles bedingt aber nicht nur eine enge Zusammenarbeit über die Berufsgrenzen hinweg, sondern es müssen auch vertrauliche Informationen über den Straftäter ausgetauscht werden. Damit würden Prinzipien wie Datenschutz oder Arztgeheimnis geritzt, bestätigt Mannhart: «Das braucht es tatsächlich, und es ist auch nicht völlig unbestritten in ärztlichen Kreisen.» Aber seine Behörde sei der öffentlichen Sicherheit verpflichtet. «Wir müssen unsere Arbeit immer unter dem Aspekt machen: Wie schützen wir die Öffentlichkeit vor Rückfälligen?»
Harmonisierung nützlich bei Verlegung von Häftlingen
Die vier Kantone sind zufrieden mit ihrem Pilotprojekt und wollen es weiter führen. Bewährt habe sich insbesondere auch, dass man über die Kantonsgrenzen hinweg die selbe Sprache spreche, die selben Kriterien habe. Denn immer wieder komme es vor, das Häftlinge in einen anderen Kanton verlegt werden. Dann sei es wichtig, dass man sich versteht. Darum unterstützte auch das Bundesamt für Justiz diesen Versuch.
Beim Bund würde man es begrüssen, wenn alle Kantone diese Risikoabklärungen und das konsequente Monitoring der Gewaltverbrecher einführen würden, sagt Walter Troxler vom Bundesamt für Justiz: «Da sind sehr viele verschiedene Leute involviert. Hier hilft natürlich eine gewisse Vereinheitlichung, insofern dass eben alle wissen, wovon wir sprechen, was wir mit dieser oder jener Einschätzung meinen.»
Auch in der Romandie findet ein Umdenken statt
Allerdings: Der Weg zu einer schweizweit ähnlichen Lösung dürfte lang und steinig sein. Während Zürich schon vor diesem Versuch in diese Richtung arbeitete, herrscht namentlich in der Westschweiz noch eine völlig andere Kultur. Dort werden die vertraulichen Beziehung zwischen Psychiater und Häftling sehr hoch gewichtet.
Dass Behörden und Ärzten Informationen konsequent austauschen, beurteilte man in der Romandie lange Zeit skeptischer. Allerdings hat nach den Verbrechen an jungen Frauen in der Westschweiz ein Umdenken eingesetzt.