Zum Inhalt springen
Audio
Prominente Schauspielerin im Kampf gegen Roma-Diskriminierung
Aus Echo der Zeit vom 11.07.2024. Bild: Keystone/Clemens Bilan
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 52 Sekunden.

Rumänische Schauspielerin «Ich habe Raum erobert für die Roma»

Alina Serban wurde von Rumäniens Präsident als erste Roma-Schauspielerin für kulturelle Verdienste ausgezeichnet. Das Porträt einer Kämpferin.

Auf der Bühne des rumänischen Nationaltheaters in Bukarest steht Alina Serban als zehnjährige Alina Serban. Das Mädchen fühlt sich als Rumänin. Ausser wenn sie hört, wie wieder einmal einer zischt: «Sie ist keine Rumänin. Sie ist Zigeunerin.»

Später im autobiografischen Stück – Alinas Familie hat inzwischen die Wohnung verloren und lebt in einer Lehmhütte ohne fliessendes Wasser – schreit ein anderer: «Wir haben eine Krähe in der Klasse.»

«Das Schmerzhafteste an Diskriminierung ist der Selbsthass»

Alina verdrischt den Jungen und trägt doch selbst Wunden davon. Im Interview sagt die 36-jährige Regisseurin und Schauspielerin: «Das Schmerzhafteste an Diskriminierung ist, dass du diese negative Energie in dich aufnimmst. Sie wird Teil von dir. Sie verwandelt sich in Selbsthass. Und der ist hässlicher und schlimmer als das, was von aussen an dich herangetragen wird.»

In Alina Serbans «Das beste Kind der Welt» geht es ziemlich lange darum, wie sie als Teenager versucht, zu verheimlichen, dass sie Roma ist und in grosser Armut lebt. Doch folgen sich die Katastrophen in ihrem Leben so dicht, dass das Aufrechterhalten einer Fassade unmöglich wird: Die Mutter kommt ins Gefängnis. Die Lehmhütte wird abgerissen. Der Vater stirbt. Alina kommt in ein Heim. «Ich werde das beste Kind der Welt sein», verspricht die Alina auf der Bühne ihrer Mutter.

Alina macht die Matur. Sie schafft die Aufnahmeprüfung in die Schauspielschule. Sofort ist da auch jemand, der fragt, ob sie einen speziellen Platz für Roma bekommen habe. Als ob sie nicht Roma und ein Schauspieltalent sein könnte. «Das trübte die Freude.»

Das Leben der Roma in Rumänien

Box aufklappen Box zuklappen

Wie viele Roma es in Rumänien gibt, ist unklar. Die Volkszählung von 2011 kam auf gut 600'000. Der Europarat schätzt ihre Zahl auf über 1.8 Millionen.

Während Jahrhunderten hielten Adlige auf dem heutigen Gebiet von Rumänien Roma als Sklaven, auch noch nachdem die Sklaverei für andere Volksgruppen abgeschafft worden war. Erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts gilt das Verbot der Sklaverei auch für Roma.

Bei den Lebensbedingungen von Roma hat es in den letzten Jahren Fortschritte gegeben. Aber noch immer haben sie ein überdurchschnittlich hohes Armutsrisiko, sind überdurchschnittlich häufig arbeitslos und haben eine tiefere Lebenserwartung. In einer Umfrage im Jahr 2020 sagten sieben von zehn befragten Rumäninnen und Rumänen, sie trauten Roma nicht.

«Ich musste zurück nach Rumänien»

Später studiert Alina Serban in London und New York, gewinnt den deutschen Schauspielpreis. Sie könnte im Ausland bleiben, wo sie nicht als Roma wahrgenommen wird. Und doch kommt sie zurück nach Rumänien. «Ich musste zurück, um mich mit meiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. Zudem wollte ich mich mit der Geschichte der Roma-Sklaverei in Rumänien beschäftigen.»

Porträt einer Frau mit lockigem Haar und Ohrringen, die spricht.
Legende: Alina Serban wuchs in der Nähe von Bukarest auf. Sie war die erste ihrer Roma-Familie, welche die Oberstufe und später die Universität absolvierte. IMAGO / Scanpix (2019)

Serban ist überzeugt, diese Geschichte wirke bis heute nach. Mittlerweile haben die Roma zwar die gleichen Rechte wie andere in Rumänien. Aber sie sind im Schnitt ärmer, schlechter ausgebildet und sie haben eine zehn Jahre tiefere Lebenserwartung.

Immerhin, sagt Serban, es gebe Fortschritte: «Es gibt ein grösseres Bewusstsein. Die Leute kommen heute hier ins Nationaltheater, um eine Roma-Geschichte zu sehen. Das wäre vor 15 Jahren noch unmöglich gewesen. Ich habe Raum erobert für die Roma.»

«Wieso könnt ihr Roma nicht als euresgleichen sehen?»

Und doch: Die Vorurteile gegenüber Roma seien nach wie vor allgegenwärtig. Die Diskriminierung von Roma ist die letzte Form von Rassismus, die akzeptiert werde. Und zwar bis weit in sogenannt linke und woke Kreise hinein, sagt Alina Serban.

Die Kernfrage ihrer Arbeit umreisst die Regisseurin und Schauspielerin so: «Wieso könnt ihr Roma nicht als euresgleichen sehen?» Die Alina auf der Bühne kommt zum Schluss: Ich bin das beste Kind der Welt – und zwar schon seit Geburt.

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel