Die Abstandsregel wegen des Coronavirus ist in der Schweiz eindeutig definiert: Es gelten zwei Meter Abstand zu anderen Personen. Darunter könnte es zu einer Infektion kommen – so steht es in den Verhaltens- und Hygieneregeln des Bundes.
Doch die Regeln sind schwer einzuhalten, in Gartenbeizen, im Schwimmbad – und bei möglichen Fussballspielen im Sommer. Auch weil die Ansteckungsgefahr im Freien um ein Vielfaches geringer ist, wird die Forderung nach einer Lockerung laut. Marcel Salathé, Epidemiologe und Mitglied der Taskforce des Bundes würde dies befürworten.
SRF News: Es gelten zwei Meter Abstand, drinnen wie draussen. Im Freien ist die Gefahr aber deutlich geringer. Wie passt das zusammen?
Marcel Salathé: Das Wichtigste an der Abstandsregel ist der Abstand per se, nicht die konkrete Distanz. Zwei Meter sind eine gute Richtgrösse und werden auch von der zuständigen europäischen Behörde empfohlen. Doch ich kann mir vorstellen, dass die Regel nun gelockert wird, auch in Anbetracht der tiefen Zahlen und dem schönen Wetter.
Ich kann mir vorstellen, dass die Regel nun gelockert wird, auch in Anbetracht der tiefen Zahlen und dem schönen Wetter.
Die Zahlen sind konstant tief geblieben, jetzt wäre also der Moment zu sagen: Im Freien gelten die Abstandsregeln nicht mehr?
Ganz abschaffen würde ich sie sicher nicht, Abstand bleibt wichtig. Wenn man sich Bilder vor Corona vor Augen führt, sieht man, wie nahe sich Menschen da waren. Gleich wieder in eine «Sardinen-Situation» zurückzukehren, das wäre nicht gut. Doch eine Lockerung im Freien ist wirklich angezeigt.
Doch was heisst das genau, ein Meter oder eher anderthalb?
Das muss letztendlich der Bundesrat entscheiden. Mir ist aber auch die Mathematik zurzeit nicht ganz klar, in Freibädern gelten ja zehn Quadratmeter pro Badegast, mit der geltenden Regel wären es für mich vier Quadratmeter. Da muss man wohl über die Bücher.
Sie beraten ja als Mitglied der Taskforce den Bundesrat. Ihre Einschätzung: liegt da bald etwas drin?
Ich persönlich hoffe es, aber wir beraten den Bundesrat nicht in Detailfragen. Unsere Tätigkeit dreht sich eher um die grossen epidemiologischen Prozesse.
Lassen Sie uns noch über die mögliche Lockerung bei Fussballspielen reden. Es war immer die Rede davon, dass Grossveranstaltungen ein hohes Risiko darstellen würden. Nun sollen laut Daniel Koch vom BAG Fussballspiele vor Publikum doch wieder möglich sein?
Bei Grossveranstaltungen ist es essenziell, die Übertragungsketten nachvollziehen zu können. Dies hat Daniel Koch auch betont. Die Situation ist nun eine andere. Geschäfte haben sich gut an die Vorgaben angepasst, mit Schutzkonzepten. Die Frage ist legitim, ob dies Veranstalter von grossen Events auch machen können.
Um Übertragungsketten nachzuvollziehen, ist es wichtig, dass sich die Leute registrieren, mit Namen und Telefonnummern. Das hat bei Restaurants nicht funktioniert, der Datenschutz hat interveniert. Wie soll das hier klappen?
Irgendwo muss man auch Kompromisse finden. Dabei steht fest: Zurück zum alten Zustand kann man nicht. Sonst haben wir bald wieder sogenannte Super-Spreading-Events, wie man auch in anderen Fussballstadien gesehen hat.
Man müsste dann ja auch alle gleich behandeln, zum Beispiel auch Open-Air-Kinos oder Konzerte?
Man müsste das von Fall zu Fall anschauen. Eine wichtige Komponente ist auch, wie laut die Leute sind, ob sie schreien oder nicht. Dies ist ein starker Faktor für die Tröpfcheninfektion. In Gottesdiensten wird nicht mehr aus voller Kehle mitgesungen, sondern mitgesummt. Ob das in einem Fussballspiel möglich ist, ist eine andere Frage.
Das Gespräch führte Arthur Honegger.