Seit anderthalb Jahren arbeitet Barbara Rudin im Inselspital Bern auf einer Covid-Station. Die Arbeitsbelastung ist derzeit extrem hoch. Die Pflegefachfrau erzählt von fehlender Motivation und nötiger Toleranz gegenüber Ungeimpften.
SRF News: Auf Ihrer Covid-Station haben 15 Patientinnen und Patienten Platz. Überlegen Sie sich manchmal, warum diese bei Ihnen landen?
Barbara Rudin: Ja, das war ein grosses Thema in den letzten anderthalb Jahren. Wir sind immer wieder mit jungen Patienten konfrontiert, welche nicht geimpft sind und schwere Verläufe haben. Ich musste lernen zu akzeptieren, dass alle anders mit dieser Pandemie umgehen. Jeder hat seine eigenen Ängste, Sorgen und Strategien. Es hilft nichts, diese Menschen zu verurteilen. Vielmehr müssen wir ihnen mit Respekt und Einfühlungsvermögen begegnen.
Sorgen ungeimpfte Patientinnen auch für Diskussionen im Team?
Da kommt mir der Sommer 2021 in den Sinn. Damals hatten wir viele Ferienrückkehrer. Praktisch die ganze Station war voll mit ungeimpften Patienten und Patientinnen, welche an Covid erkrankt waren. Da nahm ich Frustration im Team wahr – aber auch bei mir selbst. Das waren Gedanken wie: «Wir haben uns zurückgehalten mit unseren Ferienplänen und die gingen in die Ferien, machten sich keine Gedanken und liegen nun bei uns auf der Station. Das hätte man doch mit der Impfung verhindern können.»
Die gingen in die Ferien, machten sich keine Gedanken und liegen nun bei uns auf der Station.
Es half uns, dass wir über unsere Gefühle reden konnten. Wir hatten einen Austausch mit einem Spitalethiker und mit der Seelsorge.
Wie war der Impfentscheid für Sie persönlich? War von Anfang an klar, dass Sie sich impfen lassen?
Für mich war das sehr schwierig. Anfangs 2021 hiess es, man habe jetzt eine Impfung und wir auf der Covid-Station seien die Ersten, welche sich impfen lassen können. Das stresste mich extrem. Ich wusste nicht viel über die Impfung und wollte nicht gleich bei den Ersten sein. Ich fühlte mich ziemlich unter Druck gesetzt.
Beim Impfen fühlte ich mich ziemlich unter Druck gesetzt.
Dann erkrankte ich an Covid. Ich denke, ich habe mich bei der Arbeit angesteckt. Somit hatte sich die Frage damals erübrigt. Ich habe mich dann im Sommer geimpft und muss rückblickend sagen, dass ich froh bin über den Entscheid. Weil ich sehe tagtäglich, dass es ohne Impfung einen schweren Verlauf geben kann.
Wie oft sind Sie in dieser Pandemie als Pflegefachfrau an Ihre Grenzen gestossen?
Ich arbeite seit 15 Jahren auf dieser Station hier. Es ist mein Traumberuf. Im vergangenen Sommer kam ich erstmals an meine Grenzen. Eine Zeitlang überlegte ich mir, eine andere Stelle zu suchen. Und dann spürte ich wieder den guten Teamzusammenhalt, was mich motivierte.
Wie unterscheidet sich die Arbeit auf einer Covid-Station von anderen Stationen?
Es dreht sich hier alles um die Atmung. Die Patienten haben meist Atemnot, benötigen Sauerstoff. Die Patientinnen haben Fieber, sind geschwächt und müde. Ein Gang auf die Toilette kann dazu führen, dass der Patient danach in einem deutlich schlechteren Zustand ist, mehr Sauerstoff braucht, oder sogar auf die Intensivstation verlegt werden muss.
Patienten können sich teilweise nicht vom Rücken auf den Bauch drehen, ohne dass sie mehr Sauerstoff brauchen oder unter Atemnot leiden.
Patienten können sich teilweise nicht vom Rücken auf den Bauch bewegen, ohne dass sie mehr Sauerstoff brauchen oder unter Atemnot leiden. Oft ist das dann auch mit einer Erstickungsangst verbunden.
Können Sie am Feierabend abschalten?
Es gibt Tage, an denen ich einzelne Schicksale gedanklich mit nach Hause nehme und in der Familie darüber rede. Es gibt aber auch Tage, an denen ich daheim nichts von Corona hören will. Dann schalte ich das Radio aus und sage mir bewusst: Jetzt ist Pause.
Das Gespräch führte Sonja Mühlemann.