Darum geht es: Vier Buchstaben und viele Emotionen. Seit vier Jahren gibt es die neuen Kindes- und Erwachsenenschutz-Behörden Kesb – und fast seit Beginn hagelt es Vorwürfe. Zum Beispiel: Die Kesb gehe übertrieben hart vor, nehme Eltern zu häufig ihre Kinder weg. Seit das neue Recht in Kraft ist, wurden im Parlament über 20 Vorstösse zur Kesb eingereicht. Viele davon beklagen Fehlentscheide, Überforderung, Inkompetenz und willkürliches Handeln. Zudem sorgten spektakuläre Einzelfälle wie der «Fall Flaach» in der Vergangenheit für Unruhe rund um die Kesb.
Die Ergebnisse des Berichts: Auf Druck des Parlaments hat der Bundesrat die Vorwürfe nun untersuchen lassen. Heute ist der Bericht erschienen, vor den Medien in Bern nahm Justizministerin Simonetta Sommaruga Stellung. Die politisch brisanteste Einschätzung der Regierung vorneweg:
Trotz der teilweise heftigen Kritik am neuen System sieht der Bundesrat keinen unmittelbaren Handlungsbedarf.
Es sei «kein Wunder», dass gewisse Fälle zu reden geben würden, so Sommaruga: Denn für die Betroffenen gehe es jeweils um viel. «Das war auch früher schon so. Mittlerweile ist daraus aber eine Diskussion um die Kesb geworden», beklagte die Justizministerin. Und es gelte, bei aller Emotionalität sachlich zu bleiben:
Es besteht kein Grund, die Kesb grundsätzlich infrage zu stellen. Der Bundesrat ist überzeugt, dass sie in einem sehr schwierigen Umfeld gute Arbeit leistet.
Fehlentscheide seien unvermeidbar, hält der Bundesrat im Bericht fest: «Die Qualität des Gesamtsystems darf aber nicht am Einzelfall gemessen werden.» Die Praxis zeige, dass behördliche Interventionen zugunsten des Kindeswohls in vielen Fällen unbedingt notwendig seien. Eine Abschaffung der Kesb stehe nicht zur Diskussion.
Und: Weder würden die neuen Kesb mehr Massnahmen anordnen als die alten Vormundschaftsbehörden, noch seien diese Massnahmen teuer geworden, wie manche kritisierten.
Hier gibt es Klärungsbedarf:
- Im besonders heiklen Bereich der Fremdplatzierungen, also wenn etwa Kinder ihren Eltern weggenommen werden müssen, will die Regierung weitere Abklärungen vornehmen. Hier will Sommarugas Justizdepartement prüfen, wie nahestehende Personen – zum Beispiel Grosseltern – besser einbezogen werden können.
- Auch der Kritik, die Kesb reagiere zu rasch auf irgendwelche Gefährdungsmeldungen, will der Bundesrat nachgehen – und, falls nötig, Gesetzesänderungen vorschlagen. Allerdings, so der Bundesrat, handle es sich stets um Einzelfälle.
Hier wird politisch angesetzt: Der Bundesrat schliesst sich der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats bei der Frage an, wie die Beistandschaft künftig geregelt werden soll. In Zukunft soll diese nur noch auf freiwilliger Basis erfolgen – bislang war es möglich, Personen auch gegen ihren Willen zu diesem Mandat zu verpflichten. Darauf verzichteten jedoch mittlerweile ohnehin sämtliche Kantone, hält der Bundesrat fest. Auf politischer Ebene geht die Diskussion ohnehin weiter: Ein Komitee von Kesb-Kritikern will bald Unterschriften für eine Volksinitiative sammeln.