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E-Voting in der Schweiz Neuer Anlauf für elektronische Stimmabgabe

  • Mehr als ein Jahr lang herrschte Stillstand, weil sich die bisherigen E-Voting-Systeme als zu wenig sicher erwiesen.
  • Neu muss so ein System strikteren Sicherheitsüberprüfungen standhalten.
  • Es ist allerdings Geduld gefragt: Noch existiert weltweit kein E-Voting-System, das diese strengen Anforderungen erfüllt.

Im Sommer 2019 zog der Bundesrat die Notbremse. Er stoppte das E-Voting-System, das viele Kantone versuchsweise einsetzten, etwa für Auslandschweizerinnen und Schweizer. Internationale Cyber-Experten hatten Mängel am Quellcode festgestellt, der im Auftrag der Post entwickelt wurde. Nun soll es wieder losgehen, aber unter verschärften Vorgaben.

 Präsidentin der Staatsschreiberkonferenz, Barbara Schüpbach-Guggenbühl.
Legende: Barbara Schüpbach-Guggenbühl von der Schweizerischen Staatsschreiberkonferenz setzt grosse Hoffnung in ein E-Voting-System. Keystone

Bundeskanzler Walter Thurnherr erklärte vor den Medien: «Künftig sollen nur noch vollständig verifizierbare Systeme eingesetzt werden. Wer elektronisch abstimmt, wird bei solchen Systemen überprüfen können, dass seine Stimme richtig registriert wurde.» Ausserdem sollten die Systeme so gebaut werden, dass bemerkt werde, wenn sie manipuliert wurden, so Thurnherr weiter.

Bund setzt unabhängige Prüfer ein

Externe Experten sollen die Systeme laufend überprüfen, etwa im Rahmen von Wettbewerben, bei denen Geld ausbezahlt wird, wenn es jemandem gelingt, das E-Voting-System zu hacken. Barbara Schüpbach-Guggenbühl, Staatsschreiberin des Kantons Basel-Stadt, vertritt die Kantone beim Projekt E-Voting. Sie sagt: «Die Systeme sollen nicht nur einmal zertifiziert, sondern ständig verbessert werden. Deshalb setzt der Bund, und nicht der Systemanbieter, unabhängige Fachpersonen für die Überprüfung ein.»

Zudem sollen während der neuen Testphase nur 30 Prozent der Bevölkerung eines Kantons via E-Voting abstimmen dürfen. Ab Frühling 2022 wollen die Kantone Thurgau, St. Gallen und Freiburg wieder mit dem E-Voting beginnen.

Initiative nicht zustande gekommen

Mit diesen hohen Anforderungen möchte der Bundesrat das Vertrauen ins E-Voting stärken. Ein Komitee namhafter linker und rechter Politikerinnen hatte sich gebildet und lancierte eine Initiative gegen das E-Voting. Ihr Argument: Die Sicherheit sei dabei nicht gewährleistet. Die nötigen Unterschriften kamen aber in der Coronazeit nicht zusammen.

Experte: «Vertrauen in neuen Stimmkanal wichtig»

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Der Zeitplan des Bundes sei ambitioniert, sagt Florian Egloff, Cybersecurity-Wissenschaftler am Institut für Sicherheitsstudien der ETH Zürich. Er ist einer der Experten, die in diesem Prozess konsultiert wurden.

Der zweite Anlauf zum E-Voting-Test sei gut aufgegleist, findet er. Er räumt aber ein: «Die Debatte um E-Voting wird momentan noch sehr technisch geführt. Bei Design, Aufbau und Testbetrieb wird es wichtig sein, die Bevölkerung einzubeziehen, um das Vertrauen in den neuen Stimmkanal aufzubauen.»

In Zeiten der Fake News müsse sich Bund und Kantone schon sehr früh im Klaren sein, was sie tun, wenn der Vorwurf auftauche, das E-Voting-System sei während einer Abstimmung manipuliert worden. «Das heisst, das Vertrauen in diese Überprüfung muss vor der Einführung des Systems bei der Bevölkerung aufgebaut werden», sagt Egloff.

Noch existiert weltweit kein E-Voting-System, das den neuen Anforderungen der Schweiz entspricht. Thurnherr gibt sich dennoch zuversichtlich: Die Bundeskanzlei sei im Gespräch mit der Post, die ein System entwickeln soll.

Der Prozess ist also wieder lanciert. Es bleibt aber noch viel Arbeit, bis es definitiv zum E-Voting kommt. Das System muss noch entwickelt werden, und die Bevölkerung muss davon überzeugt werden, dass es wirklich sicher ist.

Rendez-vous, 21.12.2020, 12:30 Uhr

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