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Blocher – auf zum letzten Gefecht!
Aus Arena vom 09.03.2018.
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EU-Strategie in der «Arena» Die Europapolitik des Bundesrates – Christoph Blocher ist dagegen

Ein Rahmenabkommen soll die Marktzugangs-Verträge regeln. Aber wer entscheidet im Streit? Die Debatte in der «Arena».

Der Bundesrat hat seine Position für die Europapolitik vorgestellt und will mit einem Rahmenabkommen den bilateralen Weg mit der EU weiterentwickeln. Fast alle Parteien stehen dahinter – ausser die SVP und mit ihr Christoph Blocher. Er will sich weiterhin ganz auf diesen Kampf konzentrieren, auch nachdem er den Parteileitungsausschuss verlassen hat.

In Zukunft soll ein institutionelles Rahmenabkommen alle bilateralen Verträge regeln, bei denen es um EU-Marktzugänge geht. Der Knackpunkt ist aber, wer bei Streitigkeiten entscheiden soll. Im Zentrum steht deshalb ein Streitbeilegungsverfahren mit einem Schiedsgericht:

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Ein Schiedsgericht soll bei Streitigkeiten entscheiden
Aus News-Clip vom 09.03.2018.
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Bei einem Schiedsgericht würden also EU-Richter – «fremde Richter» – fast keine Rolle mehr spielen.

Christoph Blocher sieht das gar nicht so, denn der wesentliche Nachteil sei, dass die Schweiz EU-Recht übernehmen müsse. «Die Rechtsauslegung bestimmt der Europäische Gerichtshof.»

Ihm widerspricht Philipp Müller: «Sie sagen, die Schweiz müsse das Recht übernehmen. Die Schweiz kann das Recht übernehmen. Das ist ein Unterschied!»

Der Bundesrat schlägt nun zu Streitbeilegung ein Schiedsgericht vor. Für Cédric Wermuth ist das nichts Neues, denn es brauche am Schluss jemanden, der einen Vertrag auslegt. Zudem arbeite ein Schiedsgericht nicht einfach nur im Interesse der EU.

Wermuth nennt als Beispiel die von der EU nur für ein Jahr anerkannte Schweizer Börsenäquivalenz. «Wäre das Teil in einem Rahmenabkommen, wäre dieser Entscheid von einem Schiedsgericht mit Sicherheit kassiert worden – weil er diskriminierend ist für die Schweiz.»

Die Schweiz hätte bei der Welthandelsorganisation klagen können. Und wir hätten gewonnen!
Autor: Camille Lothe Junge SVP Zürich

Auch für dieses Beispiel wäre kein Schiedsgericht nötig, hält Camille Lothe dagegen. «Die Schweiz hätte bei der WTO [Welthandelsorganisation] klagen können. Und wir hätten gewonnen!»

In der «Arena» diskutieren:

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Legende: srf

Welches Gewicht hat dann aber trotzdem am Schluss der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)? Matthias Oesch am Expertentisch sagt, dass trotz eines Schiedsgerichts die Schweiz nicht am EuGH vorbeikomme: «Es gilt das Prinzip, das der EuGH kein anderes Gericht akzeptiert, das EU-Recht abschliessend autoritativ auslegt.»

Denn zum EU-Recht gehöre auch das Recht, das auf einen Drittstaat wie die Schweiz ausgedehnt wurde. «Weil die Schweiz relevantes EU-Recht übernommen hat, muss zwingend der EuGH involviert werden.» Bei den fünf Marktzugangs-Abkommen (über Personenfreizügigkei, Luft- und Landverkehr u.a.) in den bilateralen Verträgen I habe die Schweiz EU-Recht übernommen und wäre von einem Rahmenabkommen potenziell betroffen.

Matthias Oesch am Expertentisch.
Legende: Am Expertentisch: Matthias Oesch, Professor für Europarecht an der Universität Zürich. SRF

Oesch bricht zudem eine Lanze für den immer wieder als negativ angesehenen EuGH: Gemäss seinen Untersuchungen von Gerichtsfällen im Zusammenhang mit der Schweiz gebe es keine Anzeichen, dass der EuGH unfair entscheide. Der Vorschlag eines Schiedsgericht habe zudem «einen gewissen Charme»: «Gerichtspsychologisch ist es interessant für die Schweiz, weil wir mitentscheiden können, welche drei Personen in dem Schiedsgericht mitmachen.»

Die Schweiz will etwas von der EU und seinen 500 Millionen Konsumenten.
Autor: Philipp Müller Ständerat FDP/AG

Der Eintrittspreis für den EU-Binnenmarkt?

Müller formuliert es zugespitzt: «Die Schweiz will etwas von der EU und seinen 500 Millionen Konsumenten. Denn die Schweiz möchte den Zugang zum europäischen Binnenmarkt.» Das sei der Preis dafür. Und der EuGH spiele eine wichtige Rolle, weil es um Regeln des EU-Binnenmarkts gehe.

Das bringe aber eine institutionelle Bindung der Schweiz an die EU mit sich, betont Blocher: «Der Name wurde inzwischen abgeändert – zum Beschönigen. Die EU hat verlangt, dass die Schweiz europäisches Recht übernimmt, wenn es relevant für den Binnenmarkt ist. Und in Europa befiehlt der EuGH.»

Das Zurück ins Paradies von 1291, als die EU nicht existiert hat – Das gibt es nicht mehr.
Autor: Cédric Wermuth Nationalrat SP/AG

Aber am Schluss brauche es einfach eine technische Lösung, wirft Wermuth ein: Es sei eine «Urlüge in der Europadebatte», dass es nur darum gehe: die Schweiz gegen die EU.» Das sei eine Scheindebatte. «Das Zurück ins Paradies von 1291, als die EU nicht existiert hat. Das gibt es nicht mehr. Neu ist, dass die Schweiz im Entscheidungsverfahren teilnehmen kann – ganz im Unterschied zu heute.»

Lothe lässt das nicht gelten, denn es habe so viel europäisches Recht in den Bilateralen. Anzunehmen, dass die Schweiz nur etwas daran mitentscheiden könnte, sei «eine Lüge, naiv und wird nie passieren.»

Der Bundesrat habe aber bei einem Rahmenabkommen zwei rote Linien gezogen, stellt Müller klar: Keinerlei Abstriche bei den flankierenden Massnahmen zum Schutz vor Lohndumping. Und ein klares Nein gegen die Unionsbürgerschafts-Richtlinie wegen der drohenden Einwanderung in das Sozialversicherungssystem. Wenn diese roten Linien vom Bundesrat aufgegeben würden, gäbe das sicher ein Nein im Parlament und auch bei einer Abstimmung.

Der Name ‹institutionelles Rahmenabkommen› wurde inzwischen abgeändert – zum Beschönigen.
Autor: Christoph Blocher alt Bundesrat und zurücktretender Strategiechef SVP

Hilft die «dynamische Rechtsübernahme»?

In der Diskussion um das Rahmenabkommen geht es auch um die dynamische Rechtsübernahme. Diese gibt es bereits, konkret beim Abkommen Schengen/Dublin, der Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit und im Asylwesen. Die EU hat ihre Waffenrichtlinie angepasst, was nun auch von der Schweiz übernommen werden muss.

Dagegen spricht sich der Verein Pro Tell aus. Für Generalsekretär Robin Udry werden mit dieser EU-Richtlinie nämlich die Rechte von 12'000 Schweizer Waffenbesitzern eingeschränkt.

Für Experte Oesch zeigt die Waffenrichtlinie aber sehr schön auf, dass bei einer dynamischen Rechtsübernahme das Mitsprecherecht der Schweiz funktioniere. So sei es in der Richtline zu einem sogenannten «Swiss Finish» gekommen: Dabei wurde vermerkt, dass Länder mit einer allgemeinen Wehrpflicht und wo Waffen getragen werden dürfen, Dienstleistende auch in Zukunft ihre Waffe heimnehmen könnten. Bei diesen Verhandlungen habe die Schweiz mitreden können.

Am Ende sind alle «für die Schweiz»

In der Schlussrunde ziehen die Gesprächsteilnehmer eine magere Bilanz. Cédric Wermuth sieht sich europapolitisch immer noch am gleichen Punkt: «Will man einen Marktzugang, der für die Schweiz zentral ist? Und ist man dafür bereit, in ein Streitbeilegungsverfahren einzutreten?»

Camille Lothe sieht den Kampf auch in der Zukunft: «Wir müssen uns weiter dafür einsetzen, dass die Schweiz unabhängig bleibt und kein EU-Recht übernimmt.»

Für Philipp Müller ist trotz aller Differenzen klar, dass auch bei einem Rahmenabkommen immer der Souverän mit seiner Stimmkraft das letzte Wort haben werde.

Und Christoph Blocher erinnert sich daran, als er noch im Bundesrat war und das Schengen/Dublin-Abkommen abgeschlossen wurde: «Dazumal hatte man dem Schweizer Volk bei den Waffen eine Ausnahmeregelung und keine Verschärfung versprochen.» Aber die Verschärfungen kämen nun dauernd.

Trotzdem sei er «für die bilateralen Verträge und für die Wirtschaft und die Arbeitsplätze – aber auch für die Achtung der schweizerischen Ordnung».

Diesem Votum schliessen sich die Wirtschaftsvertreter an: Man sei gar nicht so weit voneinander entfernt: Auch die Wirtschaft setze sich für die Schweiz ein – was ihnen einen abschliessenden Szenenapplaus einbrachte.

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