- Während in Frankreich künftig nur noch Geimpfte in der Pflege arbeiten dürfen, ist man in der Schweiz von einer solchen Regelung weit entfernt.
- Trotzdem suchen die Kantone Lösungen, um die Impfquote im Gesundheitswesen zu steigern.
- Im Tessin gibt es ab dem 1. August ein Impf-Ranking, das zeigt, wie viel Prozent der Angestellten in einzelnen Spitälern oder Altersheimen geimpft sind.
Im Tessin ist die Idee weitgehend unbestritten. So sagt zum Beispiel Mattia Lepori, stellvertretender Leiter Medizin des Tessiner Spitalverbunds: «Ich sehe dadurch keinen Impfdruck für das Personal.»
Ausschlaggebend für die Akzeptanz der Tessiner Covid-Massnahme: Die Privatsphäre der jeweiligen Mitarbeiterin wird gewährt. Weil es eben nicht darum geht, ob der einzelne Mitarbeiter geimpft ist, sondern darum wie hoch die Durchimpfungsrate des ganzen Spitals oder Pflegeheims ist.
Wir sind selbstverständlich für Transparenz. Wenn in Institutionen solche Zahlen vorliegen, sollte man sie auch veröffentlichen können.
Die Kunden und Patientinnen hätten ein Recht darauf zu wissen, wie viele Mitarbeiter im jeweiligen Institut geimpft sind. Bei niedriger Quote könnten sie sich dagegen entscheiden, findet der Tessiner Kantonsarzt und hofft dabei, dass dadurch bei den Mitarbeitern die Motivation sich impfen zu lassen wächst.
Die Massnahme kommt in der Deutschschweiz gut an. So sagte Ruth Humbel, Präsidentin der Gesundheitskommission des Nationalrats, gegenüber Radio RSI: Sie wünsche sich, dass auch die Gesundheitsinstitute anderer Kantone derart transparent wären.
Positives Echo vom Pflegeverband
Der Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) findet diese Impf-Ranglisten unterstützenswert. «Wir sind für Transparenz. Wenn in Institutionen solche Zahlen vorliegen, sollte man sie auch veröffentlichen können», sagt Roswita Koch vom SBK.
Unter der Voraussetzung, dass die Mitarbeitenden nicht gezwungen werden, dem Arbeitgeber zu sagen, ob sie geimpft sind. Dazu hat der nämlich kein Recht. Das bedeutet aber auch, dass solche Rankings nur bedingt aussagekräftig sind.
Vermutlich wird es teilweise auch als Drucksituation erlebt, wenn etwa die Zahlen einer sehr kleinen Institution veröffentlicht werden.
Grundsätzlich sei die Impfquote des Schweizer Gesundheitspersonals höher als die der Restbevölkerung, sagt der Präsident der schweizerischen Gesundheitsdirektorenkonferenz, Lukas Engelberger. Dennoch müsse sie mit Blick auf den Herbst gesteigert werden. Dieses Ranking sei dafür ein interessanter Ansatz.
Engelberger gibt aber zu bedenken: «Vermutlich wird es teilweise als Drucksituation erlebt, wenn etwa die Zahlen einer sehr kleinen Institution veröffentlicht werden. Insofern steht diese Diskussion erst am Anfang.» Wie sich solche Ranglisten auf die Impfmoral der Mitarbeitenden auswirken sei offen, sagt Engelberger.
Veto von der Ärzteschaft
Der Berufsverband der Schweizerischen Ärztinnen und Ärzte FMH spricht sich derzeit dezidiert gegen ein Impf-Ranking aus. Die Begründung: Bei der Ärzteschaft sei die Impfquote sehr hoch, wer sich nicht impfen lasse, habe dafür häufig einen medizinischen Grund. Wie Engelberger findet auch der FMH: Wegen der unterschiedlichen Grösse der Institute sei es schwierig, die Quoten miteinander zu vergleichen.
Was das Tessin Anfang August einführt, wird in Genfer Spitälern schon praktiziert. Die Zahlen zeigen: Fast 80 Prozent der Ärztinnen und Ärzte sind dort einmal geimpft. Das Beispiel Genf zeigt auch: eine andere Impfmassnahme, die zurzeit sehr kontrovers diskutiert wird, führt nicht unbedingt zum Ziel. Gesundheitspersonal, das gegen die Grippe geimpft ist, trägt in Genf nämlich seit Jahren einen Sticker zur Kennzeichnung. Ohne, dass dadurch die Impfquote markant zugenommen hätte.