Bürgerliche wollen im Normalfall wenig von Industriepolitik wissen. Denn der Staat soll möglichst keine bestimmten Unternehmen oder Branchen fördern. Nun aber will der bürgerlich dominierte Nationalrat das Stahlwerk Gerlafingen retten. Einer, der an vorderster Front dafür kämpft, ist der Solothurner SVP-Nationalrat Christian Imark, Präsident der zuständigen Nationalratskommission.
SRF News: Sind Sie seit neustem ein Fan von Kommunismus-Vordenker Karl Marx?
Christian Imark: Nein, überhaupt nicht!
Einer Ihrer SVP-Nationalratskollegen hat die Hilfsaktion fürs Stahlwerk Gerlafingen als «Karl-Marx-Gesetz» bezeichnet. Er verstand nicht, warum der Staat plötzlich einzelne Betriebe retten soll.
Wir haben eine temporäre Überbrückung gemacht, den Werken die Netznutzungskosten gesenkt. Das Werk Gerlafingen zahlt im Jahr 22 Millionen Franken an Netzkosten – das ist extrem viel. Da will man entgegenkommen, als Ergänzung zu vielen langfristigen Massnahmen.
SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin sagt, man müsse das Stahlwerk Gerlafingen nicht retten. Die Schweiz könne Stahl aus dem Ausland beziehen.
Das Werk hat aus gesamtwirtschaftlicher Sicht für die Schweiz nicht eine riesige Bedeutung. Aber wir müssen die Stoffkreisläufe sichern, das steht im Umweltgesetz. Es geht auch um die Unabhängigkeit, dass wir zum Beispiel nicht von China abhängig sind. Vor allem in Krisenzeiten sollen wir die Ressource Stahl noch haben.
Wenn Ihnen die Kreisläufe so wichtig sind: Wo waren Sie denn, als zum Beispiel das Glas-Recycling-Unternehmen Vetropack schliessen musste?
Die Glasherstellung ist energieintensiv. Solche Schliessungen sind immer tragisch. Wir müssen eine bessere Standortpolitik machen in unserem Land – die Netznutzungskosten für alle hinunterbringen, um solche Krisen zu verhindern.
Man kann die Umweltpolitik über Bord werfen, wenn die Kosten so hoch sind, dass man gar keine Industrie mehr haben kann.
Können Sie garantieren, dass die reiche italienische Besitzerfirma des Stahlwerks nicht einfach ihre Margen erhöht und das Werk in ein paar Jahren trotzdem schliesst?
Mit dieser Hilfestellung sind klare Bedingungen verknüpft. Sie müssen in nachhaltige Anlagen investieren, eine Standortgarantie abgeben …
... aber die Hilfen gelten nur für vier Jahre.
Wer die Bedingungen nicht erfüllt, kommt auch nicht in den Genuss der Hilfen. Die weiteren Massnahmen sind alle schon beschlossen, mit dem Umweltrecht: Die öffentliche Hand muss grünen Baustahl verwenden, man zieht eine Recyclinggebühr in Erwägung, dazu kommen Restrukturierungs-Massnahmen des Werkes selber und so weiter.
Wir wollen nicht jede Session Feuerwehrübungen machen, sondern wir müssen unseren Werkplatz stärken.
Kann man von einer reichen Besitzerfamilie nicht erwarten, dass sie diese Zeit selber überbrückt?
So kann man argumentieren. Nur setzt man sich dann dem latenten Risiko aus, dass das Werk am Schluss kaputtgeht.
Sollte als Nächstes zum Beispiel eine Papierfabrik anklopfen: Helfen Sie auch?
Wir wollen nicht jede Session Feuerwehrübungen machen, sondern wir müssen unseren Werkplatz stärken. Wir müssen die Kosten herunterbringen. Vor allem die Netznutzungsgebühren sind zu hoch. 600 Millionen Gewinn, die jedes Jahr auf diesen Netzen gemacht werden, sind zu viel.
Also einzelne Betriebe nur retten, wenn sie aus Ihrem Heimatkanton kommen?
Nein – obwohl ich natürlich mit Herzblut Solothurner bin. 200 Jahre Industriegeschichte wecken Emotionen, da haben Sie recht. Aber es geht um Kreisläufe und darum, Industrie in der Schweiz zu halten. Sonst muss man die Umweltpolitik über Bord werfen, wenn die Kosten so hoch sind, dass man gar keine Industrie mehr haben kann.
Das Gespräch führte Nathalie Christen.