«Ein Comingout im Sport ist noch immer ein grosses Tabu», sagt Mehdi Künzle, Vorstandsmitglied der Schwulenorganisation Pink Cross. Das gelte besonders für die Schweiz. Hier ist ihm auch kein Mannschaftssportler bekannt, der sich offen zu seiner Homosexualität bekannt hätte. Er weiss aber von zwei bekannten Sportlern, die sich nach Thomas Hitzlsperger auf Facebook als homosexuell bezeichnet haben.
Kampagne der Sportämter begrüsst
Mit Ausnahme der nun lancierten Kampagne der Sportämter kennt Pink Cross keine Vorstösse von Schweizer Sportkreisen, welche die Homosexualität und deren Folgen im Sport thematisieren würden.
Deshalb begrüsst die Organisation die nationale Kampagne, welche die Diskriminierung von Sportlern wegen ihrer sexuellen Orientierung angehen will.
Künzle rechnet damit, dass sich die Schwulenorganisation ebenfalls an den Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Sportämter beteiligen wird. In welcher Form, sei allerdings offen.
Pink Cross plant eigene Initiative
Zudem will Pink Cross laut Künzle ein eigenes Projekt zum Thema Homosexualität starten, das sich an Trainer und Sportler selbst richtet. Das ganze stecke aber noch in der Konzeptphase zusammen mit Pädagogen und Experten von Sportverbänden, sagt Künzle.
Für die Schweiz gebe es keine Zahlen oder Statistiken zur Homosexualität im Sport. Hier zu Lande rückte das Thema eigentlich erst mit Hitzlsperger und den Olympischen Spielen ins breite Bewusstsein, weil Russland gegenüber Homosexuellen keine Toleranz zeigt.
Mannschafts- oder Individualsport nicht zentral
In Frankreich ergab eine Untersuchung zur Homophobie (Abneigung gegenüber Schwulen und Lesben), dass 0,4 Prozent der Sportler schwul sind. Bei den Frauen beträgt der Anteil laut Künzle 2,5 Prozent. Allerdings sei die Studie aus dem Jahr 2010/11 nicht repräsentativ, weil viele Befragte diese Auskunft verweigert hätten.
Laut dieser Untersuchung sei ein Comingout für einen Sportler in einem Team nicht wesentlich schwieriger als für einen Individualsportler. Die Bereitschaft dazu hänge vielmehr von der eigenen Identifikation über den Sport ab: Je mehr jemand vom und für den Sport lebe, umso schwieriger falle ihm ein Comingout.
Viele Fans erschweren Comingout
Ein weiteres Kriterium sei der Beachtungsgrad einer Sportart in der Öffentlichkeit. Je grösser das Publikumsinteresse, um so schwieriger sei ein Comingout. Zudem hätten Frauen damit eher weniger Probleme.
Und wie schwer fiele es einem schwulen Schweizer Schwinger, sich zu outen? Kein Zweifel für den Pink-Cross-Vertreter, das wäre eines der schwierigsten Szenarien: «Schwingen ist in der Schweiz sicher die heikelste Sportart für ein Comingout. Da muss sich ein Sportler ja gegenüber dem konservativsten Teil des Landes zu seiner Homosexualität bekennen.»
Aktive Sportler sollen sich outen
Künzle ermutigt Sportler generell zu Comingouts, am besten noch während ihrer aktiven Zeit. Ein solches Bekenntnis bewirke ungleich mehr als eines nach Abschluss der Karriere. Das brauche natürlich viel Mut und Selbstbewusstsein. Bei der Diskriminierung von Homosexuellen im Sport ändere sich aber durch mutige Betroffene am meisten.