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Schweiz Eklat bei Economiesuisse

Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse wechselt seine Spitze aus: Verbandsdirektor Pascal Gentinetta tritt sofort zurück, Verbandspräsident Rudolf Wehrli gibt sein Amt per Ende August auf.

Rudolf Wehrli

Economiesuisse-Chef Pascal Gentinetta geht per sofort. Er gibt seinen Posten wegen «unterschiedlichen Auffassungen» bezüglich der Strategie von Economiesuisse ab. Interimistisch übernimmt Chefökonom Rudolf Minsch die Führung des Wirtschaftsdachverbands. Der Ökonom Gentinetta war seit 2007 Direktor des Wirtschaftsdachverbands.

Pascal Gentinetta
Legende: Economiesuisse-Direktor Pascal Gentinetta tritt wegen strategischen Differenzen von seinem Posten zurück. Keystone

Wehrli bleibt noch bis August

Verbandspräsident Rudolf Wehrli bleibt noch bis im August im Amt, wie es an einer Medienkonferenz in Zürich hiess. Offizieller Grund für seinen Rücktritt ist die zeitliche Belastung des Amtes sowie sein Alter. Wehrli ist 63 Jahre alt. Eine Findungskommission beschäftigt sich nun mit seiner Nachfolge.

Wehrli war unter anderem Manager in der Grossbank Credit Suisse und Vizepräsident des Chemiekonzerns Clariant. Er hat das Präsidium von Economiesuisse erst am vergangenen 1. Oktober von Gerold Bührer übernommen. Dieser hatte die Organisation fünf Jahre lang geleitet.

Unterschiedliche Ansprüche der Politik

Die Politiker reagieren unterschiedlich auf die Rücktritte bei Economiesuisse: Für SVP-Naionarat Christoph Blocher kommt es nun darauf an, dass aus der Krise «etwas rechtes wird». Economiesuisse  brauche nun Exponenten, die mit ihrem ganzen Gewicht aufträten und glaubwürdig seien: «Personen, die aus der Praxis kommen – und nicht solche, die ein theoretisches Gebilde vertreten.»

FDP-Präsident Philipp Müller bedauert Wehrlis Abgang. «Offenbar ist er in der heutigen Medienwelt nicht zugange gekommen. Aus dieser Sicht kann ich seinen Rücktritt verstehen.» Für CVP-Ständerat Urs Schwaller ist wichtig, dass sich Economiesuisse nicht nur auf die FDP konzentriere, sondern auch andere bürgerliche Parteien vertrete. Er wünsche sich deshalb auch bei anderen als direkt wirtschaftlichen Fragen – wie etwa die Ausschaffungs-Initiative – Unterstützung durch den Wirtschaftsverband.

Und SP-Nationalrat Eric Nussbaumer erwartet vor allem, dass Economiesuisse von «ihrer Bremser-Haltung abrückt» und die Energiewende konstruktiv mitträgt. Schliesslich müsse die neue Energiepolitik auch von der Wirtschaft mitgetragen werden.

Kein schlagkräftiger Verband

SRF-Wirtschaftsredaktorin Barbara Widmer nennt die beiden Abgänge bei Economiesuisse «ein Debakel». Die Schweiz habe ernsthafte wirtschaftliche Probleme zu bewältigen – etwa den Steuerstreit mit dem Ausland oder der starke Franken. Dazu kämen heikle politische Vorlagen wie die 1:12- oder die Mindestlohn-Initiative. Das alles seien wichtige Themen für die Wirtschaft und es brauche dafür einen schlagkräftigen Wirtschaftsverband. Doch: «Der fehlt zurzeit.»

Umstrittene Abzocker-Gegenkampagne

Economiesuisse war nach der Abstimmung über die Abzocker-Initiative des Schaffhauser Ständerats Thomas Minder in eine Krise gerutscht. Der Verband hatte sich an die Spitze der Gegner der Initiative gestellt, der das Stimmvolk allerdings mit 67,9 Prozent Ja-Stimmen sehr deutlich zustimmte – trotz der acht Millionen Franken, die Economiesuisse in die Kampagne steckte.

Bereits vor der Abstimmung über die Abzocker-Initiative am 3. März hatte es allerdings Anzeichen für Streitigkeiten im Verband gegeben. Im Konflikt um das Label «Swiss Made» hatte Ende Februar der Schweizer Uhrenverband (Fédération Horlogére Suisse, FH) angekündigt, Economiesuisse verlassen zu wollen.

Die Uhrenproduzenten wollten einen Anteil von 60 Prozent Schweizer Wertanteil in Produkten, dass diese als «Swiss Made» gelten dürfen, Economiesuisse war gegen eine verbindliche Regel. Swatch-Chef Nick Hayek sagte, dem Verband fehle es an Glaubwürdigkeit.

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