Im Jahr 2015 verzeichneten 14 Schweizer Städte insgesamt 2,2 Prozent mehr Sozialhilfefälle als im Vorjahr. Das geht aus einem Bericht der Städteinitiative Sozialpolitik hervor.
Demnach verzeichneten die grössten Schweizer Städte in den letzten fünf Jahren stabile oder rückläufige (Lausanne und Bern) Sozialhilfequoten. Die neuen Sorgenkinder sind aber die mittelgrossen Städte.
Arme weichen auf Agglomeration aus
Mit ein Grund für den Anstieg bei der Sozialhilfe in den mittelgrossen Städten ist das Wohnungsangebot. Es werde kaum mehr günstiger Wohnraum geschaffen, kritisierte Nicolas Galladé, Präsident der Städteinitiative Sozialhilfe. Für Arme sei es deshalb schwierig, eine Wohnung zu finden. In der Folge weichen sie auf Agglomerationsgemeinden oder mittelgrosse Städte aus.
Dazu trägt auch der Wegfall von Jobs für niedrig Qualifizierte bei. Besonders spürbar sei dieser wirtschaftliche Wandel in Städten mit industrieller Vergangenheit wie Winterthur, Schaffhausen oder Biel, erklärte Galladé. Als anfälliger erweisen sich auch Städte, die Zentrumslasten zu tragen haben.
Nach wie vor ist die Sozialhilfequote in den Städten aber überall höher als in ländlichen Gebieten. Die höchste Quote der 14 untersuchten Städte weist Biel mit 11,6 Prozent auf, gefolgt von Lausanne mit 8,8 Prozent und Basel mit 6,3 Prozent.
Alter und Berufsausbildung entscheidend
Mehrere Faktoren beeinflussen das Sozialhilferisiko. Der Anteil älterer Sozialhilfebezüger (46 bis 65 Jahre) hat im Vergleich zum Vorjahr tendenziell zugenommen. Auch die berufliche Ausbildung spielt eine wichtige Rolle: In den meisten Städten haben zwischen 45 und 60 Prozent der erwachsenen Sozialhilfebezüger keine Berufsausbildung.
Des Weiteren gelten Personen, bei denen Erwerbstätigkeit nicht möglich ist – sei es wegen Kinderbetreuung oder Gesundheitsproblemen – als Risikogruppen. Das Sozialhilferisiko ist zudem höher für Personen ausländischer Herkunft.
Längere Bezugsdauer
2015 stieg die durchschnittliche Bezugsdauer von Sozialhilfe an. Aktuell liegt diese bei 42 Monaten – ein Anstieg von sechs Monaten gegenüber 2010. Bei rund zwei Dritteln der Fälle beträgt die Bezugsdauer in der Sozialhilfe mehr als ein Jahr, so der Bericht. Der Anteil der Personen, die länger als fünf Jahre Hilfe beziehen, liegt in den meisten Städten bei 20 bis 30 Prozent.
Je länger aber jemand Sozialhilfe beziehe, desto schwieriger werde es, aus ihr rauszufinden. Entscheidend sei eine frühe Intervention, sagte Galladé. Aus Sicht der Städteinitiative Sozialhilfe lohnt es sich deshalb, neue Sozialhilfebezüger intensiv zu beraten und in Bildung und Weiterbildung zu investieren.
Seltene Fälle von «Sozialhilfetourismus»
Im diesjährigen Bericht wurde erstmals auch die räumliche Mobilität von Sozialhilfebezügern untersucht. Wer in einer Stadt neu Sozialhilfe bezieht, lebte zumeist schon vorher dort. Nur jeder Zwölfte zog zu.
«Die räumliche Mobilität in der Sozialhilfe ist gering», erklärte Galladé. Die grösste Schweizer Stadt, Zürich, habe letztes Jahr nur 170 Fälle verzeichnet, in denen jemand bereits vor dem Zuzug woanders Sozialhilfe bezog – bei einer Gesamtzahl von 12'000 Fällen.
Zwar wird laut Galladé die These immer wieder aufgegriffen, dass Menschen von Ort zu Ort ziehen, um immer neue Sozialhilfe zu beziehen. In den 13 untersuchten Städten fand sich dafür aber kein Beleg. «Es handelt sich um Einzelfälle, die nicht ins Gewicht fallen.»