Energieministerin Doris Leuthard machte kurz nach dem Atomunglück von Fukushima im März 2011 eine klare Ansage: «Unsere Einschätzung ist, dass wir in einer Übergangsphase Gaskraftwerke benötigen.»
Damals rechnete sie damit, dass vor 2050 bis zu sechs grosse Gaskraftwerke ans Netz gehen könnten. Sie sollten einen Teil des Stroms ersetzen, der durch die Abschaltung der Schweizer Atomkraftwerke bis etwa 2045 nach und nach wegfällt.
Gaskraftwerke sind CO2-Schleudern
Doch Gaskraftwerke stossen CO2 aus und schaden damit dem Klima. Der Bundesrat will denn auch den CO2-Ausstoss längerfristig um die Hälfte reduzieren. Nicht zuletzt deshalb mag Marianne Zünd vom Bundesamt für Energie keine so klare Ansage mehr machen zum Thema Gas. Es sei jetzt nicht der Zeitpunkt die Technologie zu definieren, welche den AKW-Strom in einigen Jahrzehnten ersetzen solle, sagt sie heute.
Zünd betont, dass es im Moment ohnehin zu viel Strom in Europa gebe. Und dass neue Gaskraftwerke deshalb mittelfristig gar nicht rentierten. Diese Aussage bestätigen auch die Energieunternehmen.
Wie den Strom für die Grundlast produzieren?
Trotzdem ist das Thema Gas vor allem wegen der sogenannten Grundlast nicht vom Tisch. Wir brauchen rund um die Uhr eine gewisse Menge Strom im Netz. Irgendwer öffnet schliesslich immer den Kühlschrank, auch mitten in der Nacht. Wer aber produziert rund um die Uhr Strom? Heute sind das vor allem AKW oder eben Gaskraftwerke.
Solarzellen hingegen funktionieren nur, wenn die Sonne scheint. Für viele Fachleute eignen sich Gaskraftwerke deshalb besser als die viel zitierten erneuerbaren Energien, um einen Teil des Atomstroms zu ersetzen.
Energieunternehmen für Gaskraftwerke
Einer, der glaubt, es brauche für die Gewährleistung der Grundlast auch Gaskraftwerke, ist Michael Frank. Er ist Direktor des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen. Je nach Szenario seien mehr oder weniger Gaskraftwerke respektive Stromimporte nötig, sagt er.
Auch der Energieexperte und ETH-Professor Konstantinos Boulouchos findet, dass es eines von beidem oder einen Mix aus Importen und Gaskraftwerken braucht. «Wie viel wissen wir nicht so genau», sagt er. Am Schluss werde der Preis bestimmen, ob die Schweiz im Winter eher Strom importieren werde oder ob es Gaskraftwerke brauche.
Bis das letzte AKW vom Netz geht, könnten Gaskraftwerke 10 bis 15 Prozent des Stroms liefern, sagt Boulouchos. Ob es tatsächlich dazu kommt, hängt vom Strom- und Gaspreis ab. Und auch davon, wie teuer es in Zukunft sein wird, den CO2-Ausstoss zu kompensieren.
Erneuerbare Energie und mehr Speichermedien
Schon nur die Möglichkeit neuer Gaskraftwerke entsetzt indes Nick Beglinger. Er ist Präsident des Wirtschaftsverbands Swisscleantech, der sich der grünen Wirtschaft verpflichtet hat. Er betont, dass die Produktion von erneuerbaren Energien bis zur Abschaltung des letzten AKWs stetig zunehmen werde. Auch werde die Kapazität an Stromspeicher-Technologie zunehmen.
Bevor also das letzte AKW vom Netz geht, glaubt Beglinger, werde die Schweiz in der Lage sein, Strom zu speichern. In Speicherseen, Batterien oder als Gas in der Gasleitung. Und dann brauche es keine Kraftwerke mehr, die rund um die Uhr laufen. Denn den Strom, den zum Beispiel Solarzellen im Sommer im Übermass produzieren, könnte man dank der Zwischenspeicherung auch erst Winter verwenden.
Für Frank vom Verband Schweizerischer Elektriztitätsunternehmen klingt das allerdings unrealistisch. Er könne sich dies allenfalls in 100 Jahren vorstellen. Wie es aber in 30, 40 Jahren aussehen werde, wisse er nicht.
Das politische Gelingen der Energiewende hängt nicht zuletzt davon ab, ob sich Beglingers oder Franks Zukunftsvision durchsetzt.