Die kontrovers diskutierte Motion von Filippo Lombardi (CVP/TI) verlangt: Schweizweit sollen alle Detailhandelsbetriebe das Recht haben, ihre Produkte werktags zwischen 6 Uhr und 20 Uhr und samstags zwischen 6 Uhr und 19 Uhr zu verkaufen. Die Kantone könnten weitergehende Liberalisierungen beschliessen – nicht aber strengere Gesetze.
Stimmvolk gegen Einkaufsvolk
Nationalrat Corrado Pardini (SP/BE) sieht mit diesem Vorschlag die Rechte der Arbeitnehmer in Gefahr. Zudem sagt er, das Stimmvolk würde sich anders entscheiden: «Die bürgerliche Seite diskriminiert mit diesem Vorstoss den Volkswillen. Die Leute wollen keine Läden, die sieben Tage in der Woche offen haben.» Sylvia Flückiger-Bäni (SVP/AG) sieht das Volk auf ihrer Seite – zumindest das Einkaufsvolk. Sie fragt rhetorisch in die Runde: «Wenn ich am Abend am Bahnhof einkaufen gehe, sind die Läden voll. Von wo kommen den all diese Leute?»
Konkurrenz aus dem Ausland
Der Bundesrat unterstützt diesen Vorschlag. Bundesrat Johann Schneider-Ammann mahnt im Nationalrat, Grenzgänger würden wegen den längeren Ladenöffnungszeiten im Ausland immer mehr in den Nachbarländern einkaufen. Nationalrat Chopard-Acklin Max (SP/AG) berichtet aus seinen eigenen Erfahrungen: «Das ist ein Scheinargument. Ich kenne niemand, der dies tut.»
Der Nationalrat ist den Argumenten des Bundesrates gefolgt und nimmt die Motion mit 126 zu 57 Stimmen an. Weil der Nationalrat im Text verankern möchte, dass die kantonalen Feiertage von der Harmonisierung ausgenommen sind, geht die Motion nochmals zurück an den Ständerat.
Am Sonntag ins Shopping-Center
Ja sagen National- und Ständerat ausserdem zu einer Lockerung der Bestimmungen über Sonntagsarbeit für Shopping-Center in Tourismusgebieten. Der Nationalrat hiess auch diese Motion von Fabio Abate (FDP/TI) mit 121 zu 56 Stimmen gut.
Hintergrund ist der Streit um das Shopping-Center FoxTown in Mendrisio (TI). Dort tolerieren der Kanton und die Gewerkschaften seit über 16 Jahren rechtswidrig Sonntagsarbeit. Weil ein anderes Center die gleichen Rechte verlangte, kam der Kanton unter Druck. Die Gegner befürchten, dass die Ausnahme nicht nur in klassischen Tourismusgebieten zur Anwendung kommen könnte.
Die Ratslinke stellte sich vergeblich gegen die geplante Verordnungsänderung. Louis Schelbert (Grüne/LU) hob die Bedeutung des freien Sonntags hervor. Die prekären Arbeitsverhältnisse nähmen zu, und Sonntagsarbeit fördere diesen Trend, gab er zu bedenken.
Referendum angekündigt
Erst vor kurzem hatte das Parlament die Regeln für Tankstellenshops gelockert. Gemäss dem Beschluss sollen die Shops künftig rund um die Uhr alle Produkte aus ihrem Sortiment verkaufen dürfen. Das letzte Wort dürfte allerdings das Stimmvolk haben: Die Gewerkschaften haben das Referendum gegen die Änderung des Arbeitsgesetzes ergriffen, die aus ihrer Sicht die Arbeitsbedingungen im Detailhandel verschlechtert.
Gewerkschaften und kirchliche Kreise stellen sich auch gegen die anderen zur Diskussion stehenden Liberalisierungen, darunter ein Begehren der Grünliberalen. Nach deren Willen sollen künftig sämtliche Verkaufsstellen und Dienstleistungsbetriebe, die eine Fläche von 120 Quadratmetern nicht überschreiten, auch sonntags und in der Nacht bewilligungsfrei Personal beschäftigen dürfen. Dies geht auch dem Bundesrat zu weit.