Die Schweiz kennt keine Koalitionsregierungen und entsprechend kein Regierungsprogramm. Der Bundesrat legt dennoch alle vier Jahre eine Liste mit Prioritäten vor – die sogenannte Legislaturplanung. Sie zeigt, wo die Regierung Schwerpunkte setzen möchte und was in den kommenden Jahren zu reden geben wird.
Jetzt hat sich der Nationalrat über die Ziele für die nächsten vier Jahre gebeugt. Und es zeigt sich: zu reden geben wird insbesondere der Füllstand der Bundeskasse.
Grob kann man die Themen unter der Bundeshauskuppel in drei Kategorien einteilen: Themen, die ein Schwerpunkt sein werden müssen, wegen äusserer Umstände. Zum Beispiel die Sicherheit bei der Energieversorgung.
Wir erwarten bis 2027 strukturelle Defizite von drei bis vier Milliarden Franken pro Jahr.
Dann gibt es Themen, die ein Schwerpunkt sein sollen. Es ist die grosse Mehrheit. Mit den Europa-Verhandlungen etwa solle es vorwärtsgehen, erklären Bundesrat und Nationalrat – bereits an zweiter Stelle ihrer Liste.
Offen sorgenvoll blickt der Bundesrat dagegen auf die Bundeskasse, wie Bundespräsidentin Viola Amherd deutlich macht: «Wir erwarten bis 2027 strukturelle Defizite von drei bis vier Milliarden Franken pro Jahr.» Ausgaben von drei bis vier Milliarden Franken also, die noch nicht finanziert sind.
Kleiner Coup der Mitte
Ein kleiner Coup gelingt diesbezüglich Mitte-Links: Zur Finanzierung der 13. AHV-Rente soll eine neue Steuer eingeführt werden, die Finanztransaktionssteuer. Also eine Abgabe auf Umsätze mit Aktien oder Devisen. Dennoch dürfte die Diskussion in den kommenden Jahren vor allem geprägt sein von der Frage: Wie soll das bezahlt werden?
Die Klimakrise ist die grösste Herausforderung unserer Zeit – in der Schweiz und in der Welt.
Hoch priorisieren will der Bundesrat auch den Klimaschutz. Allerdings noch immer zu wenig hoch, so Felix Wettstein von den Grünen: «Wir sind der Meinung, dass dieser Leitsatz sogar an die erste und nicht erst an die vierte Stelle gehört. Die Klimakrise ist die grösste Herausforderung unserer Zeit – in der Schweiz und in der Welt.»
In Zeiten, in welchen europäische Richter so tief in unser direktdemokratisches System politisch eingreifen, wäre es mehr als notwendig, sich auf unsere eigenen Stärken zu berufen.
Für die erste Stelle freilich hätten andere noch andere Ideen, so etwa Roman Hug von der SVP (GR): «In Zeiten, in welchen europäische Richter so tief in unser direktdemokratisches System politisch eingreifen, wäre es mehr als notwendig, sich auf unsere eigenen Stärken zu berufen.»
Die Wunschliste ist lang. Der Bundesrat etwa will die Chancen der Künstlichen Intelligenz nutzen. Das Parlament dabei aber Persönlichkeitsrechte der Bevölkerung schützen. Ukraine-Wiederaufbau, Kita-Finanzierung, Landesausstellung, elektronische Identität.... Die Liste werde zu lang, kritisieren einige – um sodann selber weitere Wünsche anzubringen.
Vieles bleibt unplanbar
Bleibt: die dritte Kategorie von Themen – die vielleicht interessanteste. Es sind die Themen, die niemand planen kann: Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Credit-Suisse-Untergang. Das tauchte alles nicht auf in den letzten Legislaturzielen. Mitte-Präsident Gerhard Pfister: «Gerade die letzte Legislatur hat gezeigt, dass nicht alles, was wichtig ist, voraussehbar und planbar ist. Pandemie und Krieg in Europa sind Herausforderungen der letzten Legislatur gewesen, die kaum jemand vorausgesehen hat.»
Verbindlich ist die Legislaturplanung nicht – und vollständig schon gar nicht. Aber sie gibt eine Art Marschrichtung vor, zumindest für jene Bereiche, wo das Terrain bereits bekannt ist. Die Debatte zeigt auf, was im neuen Parlament mehrheitsfähig ist.