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Geld im Fall des Shutdowns Pandemieversicherungen: Verlust- oder Profitgeschäft?

Versicherungsunternehmen möchten ein entsprechendes Produkt entwickeln. Das geht aber kaum ohne Hilfe des Staates.

«Alle für einen»: So funktioniert vereinfacht gesagt das Prinzip einer Versicherung. Versicherungsnehmer bezahlen Versicherungsbeiträge, etwa für den Fall, dass es eine Überschwemmung gibt. Doch nicht alle Versicherten werden gleichzeitig von diesem Topf Geld brauchen, denn das Wetter ist unterschiedlich in verschiedenen Regionen. Damit bleibt mehr Geld für jene übrig, die von einer Überschwemmung betroffen sind.

Zu viele Schäden auf einmal

Bei einer Pandemie wie aktuell Covid-19 wird dieses Prinzip quasi ausgehebelt. Denn bei einem Lockdown seien zu viele Unternehmen gleichzeitig betroffen, sagt Urs Ramseier von Zwelve Capital. Die Investmentfirma ist auf den Versicherungssektor spezialisiert. Kosten in der Höhe von mehreren Dutzend Milliarden Franken brächten die Versicherungsindustrie bei einer bezahlbaren Prämie an ihre Grenzen.

Epidemieversicherungen zahlen nicht

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In der aktuellen Coronapandemie wehrten sich Hunderte von Restaurantbesitzern, weil die Versicherungen nicht zahlten, obwohl sie eine Epidemieversicherung abgeschlossen hatten. Die Versicherer begründeten ihren abschlägigen Entscheid damit, dass es sich eben um eine Pandemie und nicht um eine Epidemie handle. Der Unterschied: Eine Epidemie ist lokal oder geografisch begrenzt, eine Pandemie ist eine weltweite Seuche. Die Gastro- und Tourismusbetriebe liessen allerdings nicht locker. Die Verhandlungen zwischen ihnen und den Versicherungen laufen noch immer.

Ausserdem wäre, wenn es eine Pandemieversicherung gäbe, der Staat eher versucht, einen Lockdown zu verordnen. Schliesslich müsste nicht er, sondern die Versicherungen für die Kosten aufkommen, so Ramseier. «Es gibt unterschiedliche Interessen. Deshalb ist die Pandemie so nicht versicherbar.»

Schwierige Risikobewertung

Eine Pandemieversicherung für Unternehmen sei nicht nur wegen der Kosten schwierig zu entwickeln, sondern auch weil das Risiko schwer zu bewerten sei, sagt Branchenkenner Ramseier. Die Versicherer hätten weder genügend Zahlenmaterial noch genügend Erfahrungswerte, auf die sie zurückgreifen könnten.

Zudem müssten zuerst zahlreiche Parameter definiert werden, wie zum Beispiel: Ab wann genau zahlt die Versicherung? Bei welchen Unternehmen zahlt sie? Wie viel des Ertragsausfalls soll überhaupt vergütet werden?

Der Bund muss mit ins Boot

Trotzdem glaubt die Versicherungsindustrie daran, dass es eine Möglichkeit gibt, Firmen im Fall einer Pandemie gegen Ertragsausfälle abzusichern. Das sei ohne Mitwirken des Bundes allerdings nicht möglich, sagt Urs Arbter. Er ist Vizedirektor beim Schweizerischen Versicherungsverband. Die Prämie wäre ohne Mithilfe des Staates zu hoch, sagt er.

Aufeinandergstapelte und mit Schlössern gesicherte Stühle vor einer Beiz.
Legende: Mit dem Lockdown mussten viele Geschäfte und die Restaurants schliessen – es entstanden immense finanzielle Schäden. Keystone

Denkbar ist etwa, dass der Bund ab einer gewissen Schadenssumme einspringen würde. Das wäre durchaus sinnvoll, sagt auch Versicherungsexperte Ramseier. Weil der Staat die Kosten durch die Verhängung eines Lockdowns verursache, «müsste er in die Deckung eingebunden sein».

Bund prüft seine Möglichkeiten

Beim Bund wird derzeit im Auftrag von Finanzminister Ueli Maurer von einem Projektteam aus Behörden und Versicherungswirtschaft eine Beteiligung geprüft. Der entsprechende Bericht soll Ende September vorliegen.

Bis dahin werden die Statistiker und Mathematikerinnen der Versicherer weiter an ihren Ideen und Prämienmodellen feilen. Denn eines ist klar: Wer für die breite Masse der Unternehmen eine bezahlbare Lösung findet, wird damit ein gutes Geschäft machen. Schliesslich dürfte die Nachfrage nach den Erfahrungen der letzten Monate gross sein.

SRF 4 News, Echo der Zeit vom 17.7.2020, 18.00 Uhr

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