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Milliardenbusse für VW «Auch die Aktionäre wollen eine Entschädigung»

Busse und Entschädigungen in den USA kosten VW über 20 Milliarden Euro. Und weitere Ansprüche dürften folgen, wie Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer vermutet. Doch die immensen Ausgaben werden VW höchstens etwas bremsen.

SRF News: VW muss in den USA eine Busse in Höhe von 4,3 Milliarden Dollar bezahlen. VW hat zwar Rückstellungen gemacht, doch langsam dürfte das Geld in Wolfsburg wohl ausgehen?

Ferdinand Dudenhöffer

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Ferdinand Dudenhöffer gilt als der ­deutsche «Automobilpapst». Der Professor für Marketing und ­Unternehmensführung gründete im Oktober 2008 gemeinsam mit seiner Professoren-Kollegin Dr. Eva-Maria John das CAR Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen.

Ferdinand Dudenhöffer: Die Rückstellungen in Höhe von 18 Milliarden Euro sind aufgebraucht, doch man kann davon ausgehen, dass im operativen Bereich im letzten Jahr 15 bis 17 Milliarden Euro Gewinn erwirtschaftet worden ist. VW geht das Geld also noch nicht aus.

Bussen, Zivilklagen, Entschädigungszahlungen an Kunden: Wie hoch wird die Gesamtsumme sein, die der Dieselskandal VW kostet?

Schon jetzt sind es über 20 Milliarden Euro. Diese sehr hohe Summe wirft den VW-Konzern natürlich in seiner Entwicklung zurück. Ausserdem stehen noch grosse Wiedergutmachungsansprüche im Raum. Es geht dabei um Aktionäre, die auf Wiedergutmachung von Kursverlusten geklagt haben. VW soll zu spät über den Abgasskandal bei den VW-Dieslern informiert haben. Falls die Klagen erfolgreich sind, muss VW mit weiteren Rechnungen in Höhe von zehn Milliarden Euro rechnen.

Trotz des Diesel-Skandals hat VW Toyota überholt und ist zum weltweit grössten Autokonzern aufgestiegen.

Interessanterweise hat der VW-Skandal keinen Einfluss auf das Kaufverhalten der Kunden. VW ist in der Schweiz weiterhin klar die Nummer Eins. Hat der Skandal beim Image keine Spuren hinterlassen?

Die Marke VW hat den Skandal bislang besser überstanden, als man zunächst vermutete. Sogar weltweit ist VW zum grössten Autokonzern aufgestiegen und hat den japanischen Toyota-Konzern überholt. Das hat mit der Stärke VWs in China zu tun, wo VW grösster Autobauer ist und der Markt weiter wächst. Ausserdem schwächelt Toyota seit einigen Jahren. So läuft man in China der Konkurrenz hinterher, in Europa verlieren die Japaner. Nur in den USA und in Japan selber ist Toyota stark. Es fehlen die Innovationen wie vor 20 Jahren die Lancierung des bis heute erfolgreichen Hybrid-Modells Prius. Die Schwäche Toyotas hat VW geholfen, die Weltspitze zu übernehmen. Ausserdem verfügt VW über die Premiummarken Porsche und Audi sowie über Skoda. In der Summe ist VW also sehr gut aufgestellt, obwohl man sich mit dem Dieselskandal derzeit mit dem grössten Problem der Unternehmensgeschichte herumschlägt.

Die Marke VW wirft seit Jahren zu wenig Ertrag ab. Das muss sich ändern.

...aber das Image von VW hat nicht gelitten?

Die Kunden haben nach wie vor das Gefühl, dass die Fahrzeuge eine gewisse Qualität haben. Ausserdem hilft es VW, dass alle anderen Automarken nicht wirklich besser sind. Bei Tests ist klar geworden, dass 95 Prozent aller Diesler auf dem Markt die Vorgaben etwa bei den Stickoxidwerten weit verfehlen. Alle Dieselautos haben also ein Problem. VW hat es nur nach aussen getragen und «profitiert» jetzt davon, dass die anderen Marken mit ihren Dieslern die gleichen Probleme haben.

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Was bedeuten die zusätzlich bis zu zehn Milliarden Euro, die VW voraussichtlich bezahlen muss?

VW ist dadurch bei den Investitionsmöglichkeiten durch Eigenkapital eingeschränkt. Auch muss der Konzern vermehrt auf die Kosten in den Fertigungswerken achten. Das Problem liegt hier vor allem bei der Volkswagen AG, weniger bei Porsche oder Audi. Die Marke VW wirft seit Jahren wenig Ertrag ab. In den Werken um Wolfsburg herum werden zu hohe Löhne bezahlt, es gib zu viele Angestellte und die zugelieferten Teile sind zu teuer. Das muss VW ändern. Wegen der Konstellation bei VW – so ist etwa das Bundesland Niedersachsen mit 20 Prozent am Konzern beteiligt – lautete das erste Ziel bisher stets, die Arbeitsplätze rund um Wolfsburg zu schützen. Bei den anderen Aktiengesellschaften, die zu VW gehören, ist das anders. Hier will man vor allem die Kosten reduzieren und weltmarktfähig arbeiten. Das versucht man nun auch bei der Volkswagen AG. Wegen der politischen Verflechtungen birgt der Umbau aber grosse Probleme, obschon der heutige Zustand den Konzern belastet. Gleichzeitig will man nicht nur sparen. Die neue VW-Konzernführung ist innovativ, sie investiert in Elektroautos oder autonom fahrende Wagen, ausserdem ist sie an einem Uber-ähnlichen Fahrdienst beteiligt. Das ist richtig, denn das ist die Zukunft der Mobilität. Die Autobauer werden zu Mobilitätsanbietern, sie bleiben nicht Produzenten von vier Rädern mit einem Motor.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

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