«Jetzt müssen die Züge nur noch rechtzeitig fertig werden.» Peter Spuhler wiederholt den Satz einige Male während des Besuchs von «ECO» im neuen Werk von Stadler Rail in Salt Lake City. Es ist für den VR-Präsidenten eine der Herausforderungen in den USA.
Das Bussnanger Unternehmen baut 19 Züge für das Silicon Valley. Die Strecke von San Francisco nach San José wird elektrifiziert. Nächstes Jahr soll der erste Stadler-Zug testbereit sein.
Stadler hat in den USA Aufträge insgesamt in Milliardenhöhe gewonnen: ausser in Kalifornien auch in Texas und zuletzt in Atlanta. Dafür musste der Zugbauer den Grossteil der Produktion in die USA verlegen.
So verlangt es das US-Gesetz mit dem «Buy American Act». Dieser schreibt ausländischen Unternehmen vor, dass sie mindestens 60 Prozent der Wertschöpfung in den USA leisten, wenn bei Aufträgen Bundesgelder fliessen.
Handwerks-Berufe sind «gefährlich und schmutzig»
Eine der Aufgaben für Martin Ritter, Chef von Stadler, ist es, Zugbauer zu finden. Im nächsten Jahr soll das Personal für den Grossauftrag von Kalifornien von 200 auf 350 aufgestockt werden.
Deshalb bildet Stadler ab diesem Sommer Lehrlinge aus, zusammen mit dem Community College in Salt Lake City – angelehnt an das Schweizer Berufsbildungssystem. Es braucht Überzeugungskraft, junge Amerikaner für einen Handwerks-Beruf zu begeistern. Für viele ist das College das höchste Ziel.
Handwerksberufe würden in den USA heute falsch wahrgenommen, sagt Rick Bouillon, Vize-Präsident des Salt Lake Community College. Sie gälten als «schmutzig und gefährlich». Dabei seien von Handwerkern heute High-Tech-Kenntnisse gefordert. Sie sässen lange am Computer, bevor die praktische Arbeit beginne.
Stadler hat bis jetzt 16 Lehrlinge für die dreijährige Ausbildung gefunden. In den USA müsse man «unbedingt nachsetzen», um die Berufsbildung zu verbessern, findet Peter Spuhler.
Die US-Aufträge sollen Stadler Rail (Gesamtumsatz 2018: 2 Mrd. Franken) bald jährlich 250 Millionen Franken Umsatz bringen. Stadler baut vor allem Züge für den Nahverkehr in Grossstädten und urbanen Agglomerationen.
Zaghaftes Umdenken der Amerikaner
Der öffentliche Verkehr in den USA hat ein Imageproblem. «Generell ist es leider oft so, dass er von denen genutzt wird, die sich kein Auto leisten können», sagt Finanzprofessor Alfred Mettler, der seit 20 Jahren in den USA lebt und heute an der University of Miami lehrt.
Doch mit dem Verkehrskollaps in vielen US-Metropolen ist ein Umdenken erkennbar. «ECO» testet, zusammen mit Alfred Mettler, ein neues Bahnprojekt in Florida. Die Reportage:
Fazit des neuen Zugprojekts: Dichtestress herrscht in den Zügen, von Miami nach West Palm Beach, nicht. Ganz im Gegenteil: Die Auslastung ist noch tief. Anschlussmöglichkeiten, etwa an Flughäfen, fehlen noch.
Das Projekt, mitfinanziert vom milliardenschweren britischen Unternehmer Richard Branson, sei erst am Anfang, sagt ein Sprecher von Virgin Trains USA zu «ECO». «Die Mobilitäts- und Technologietrends sowie das Umweltdenken» spiele ihnen in die Hände. Man wolle die Florida-Strecke bis nach Orlando ausbauen und peile auch andere Regionen in den USA an.
Peter Spuhler ist zuversichtlich, was die Zukunft der Eisenbahn in den USA anbelangt: für Metrozüge in Gross-Agglomerationen, aber auch im lange vernachlässigten Intercity-Verkehr: «Da merkt man immer mehr, dass er zurückkommt».