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Bergsturz am Piz Cengalo Bondo – ein Jahr nach dem Felssturz

Am 23. August 2017 ereignete sich der grösste Bergsturz in Graubünden seit Jahrzehnten. Der Felssturz von Bondo hat die Menschen und die Landschaft gezeichnet. Eine Spurensuche.

Am 23. August 2017 ereignete sich der grösste Bergsturz in Graubünden seit Jahrzehnten. Murgänge durch das Val Bondasca führten im etwa vier Kilometer entfernten Ort Bondo im Bergell zu Zerstörungen und Evakuierungen. Der Bergsturz wurde von Eis- und Wasserdruck im Berg ausgelöst. Acht Menschen kamen dabei ums Leben. Das Unglück hat die Menschen in Bondo gezeichnet; und die Landschaft.

Ein neuer Berg entsteht

Es war grosse Eile geboten. Die Unmengen des Murgang- Gerölls mussten nach der Katastrophe mit möglichst wenig Aufwand weggeschafft werden. Unmittelbar nach der Katastrophe waren bis 100 Arbeiter damit beschäftigt, die Steinbrocken des Murgangs zu sprengen. Im 20-Stunden-Betrieb fuhren sie täglich bis zu 15'000 Kubik Material auf einen neu geschaffenen Schutthügel, das «Depot». Als Ablage kam nur ein Ort in Frage: Die Heuwiese am Dorfausgang mit dem Namen «Palü».

300'000 Kubikmeter Steine, Sand und Schlamm türmen sich inzwischen über dem Talboden. Heute sind es noch 10 Arbeitskräfte, die vorwiegend Sand auf den Berg bringen. Malerisch kann man die Erhebung nicht nennen. In einer Stellungahme des Heimatschutzes von Engadin und Südbünden heisst es denn auch besorgt, aus dem Depot dürfe kein Mahnmal werden. Es müsse sich in die Landschaft einfügen. Die Gemeinde berücksichtige die Wünsche, die Zufahrtswege wurden angepasst. Der junge Berg soll demnächst auch begrünt werden.

Ein Stück Eleganz über der Steinwüste

17 Meter über dem Fluss, mehr als 80 Meter lang: Die provisorische Hängebrücke verbindet die beiden Dorfteile Bondo und Promontogno. Vor dem Bergsturz verband eine jahrhundertealte Steinbrücke die beiden Ufer, das Bauwerk war kaum 30 Meter lang.

Die neue leicht wackelige Hängebrücke ist bereits zur Attraktion geworden – nicht nur für Touristen. Die Frage «Warst Du auch schon auf der Brücke?“ kursiert auch unter den Einwohnerinnen und Einwohnern. Gut gelaunte Besuchergruppen machen sich einen Spass daraus, den Steg zum Schwingen zu bringen – was bei den weniger gut gelaunten, die sich gleichzeitig auf der Brücke befinden, durchaus zu weichen Knien führen kann – und, am anderen Ufer, jetzt ohne Handlauf, zu Schwindelgefühlen. Wer will, kann sich im «Brückenbuch» eintragen, das regensicher in einem Metallbehälter aufbewahrt wird.

Schauplatz Piz Cengalo

Über dem Gipfel des Piz Cengalo verläuft die Grenze zwischen der Schweiz und Italien. Der Berg wurde im Jahr 1866 erstmals von zwei Engländern bestiegen. Ihr Weg führte durch eine Eisrinne zwischen Piz Cengalo und Piz Badile. Das Eis ist inzwischen verschwunden. An seiner Stelle befindet sich heute ein steiles, lebengefährlich steinschlagbedrohtes Geröllcouloir.

Ende 2011 begann eine imposante Serie von Abbrüchen. Nahezu zwei Millionen Kubikmeter brachen vom oberen Teil der Nordwand ins Bondasca-Tal. Einige Zonen an der steilen Nordwand lösen sich in immer kürzeren Abständen. Der Rückgang des Permafrosts gilt als einer der Gründe.

Im Sommer 2012 folgten zwei weitere Murgänge entlang des Flusses. Jener im August schob rund 100'000 Kubikmeter bis kurz vor Bondo. Der malerische Campingplatz des Dorfes wurde dabei verwüstet. Auf Grund dieses Ereignisses installierten die Behörden ein umfassendes Monitoring- und Alarmsystem. Auch ein grosses Auffangbecken wurde eingerichtet.

Beide Massnahmen bewahrten Einwohner und Dorfkern von Bondo vor der ganz grossen Katastrophe am 23. August 2017. An diesem Tag stürzten vier Millionen Kubikmeter ins Tal. Acht Bergwanderer kamen dabei ums Leben, die sich von der Schora-Hütte auf den Weg ins Tal gemacht hatten.

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