Heutzutage sind Fernsehkommissare meist Antihelden: Depressiv, drogensüchtig oder bestechlich. Harry Boschs grösstes Laster sind Zigaretten. Und ein Workoholic ist er. Aber welcher Kommissar ist das schon nicht? Ein Langweiler also. Aber einer, dem ich verfallen bin.
Clooney meets Sutherland
Nur schon optisch gefällt mir Harry Bosch. Nicht, dass er besonders gut aussieht. Aber er strahlt eine Spitzbübigkeit aus, die mich an George Clooney erinnert. Und er hat die männliche Hemdsärmligkeit von Kiefer Sutherland zu besten «24»-Zeiten.
Im Gegensatz zu seinen Kollegen fehlt Harry Bosch aber jeglicher Grössenwahn. Er ist einer von uns. Vermutlich schliesst man ihn deshalb so schnell ins Herz. Bosch ist grundehrlich und meint es gut mit der Welt. Im Kampf für Gerechtigkeit bricht er sämtliche Polizeiregeln. Er riskiert dabei sein Leben und seine Karriere.
Liebenswerter Haudegen
Wenn nötig, zückt Bosch seine Waffe und schiesst. Aber eigentlich ist er ein Softie, ein Melancholiker. Im sonnigen Los Angeles sind ihm Regentage die liebsten. Er mag altmodische schummrige Bars. Statt einem Smartphone besitzt er ein Klapphandy aus den 90ern. Auch deshalb habe ich ihn in mein Herz geschlossen.
Spektakuläre Stadtlandschaften
Aber klar, in Zeiten wo Netflix im Wochentakt ein neues Serienspektakel lanciert, reicht ein liebenswerter Haudegen natürlich nicht als Argument, um eine Serie zu schauen. Mich hat auch die Szenerie von «Bosch» reingezogen.
Man sieht die trostlose Seite von Los Angeles. Diese merkwürdig zusammengestückelte Metropole: Verlassene Industrieareale, Betonwüsten, ausgetrocknete Kanallandschaften. An dunklen, verregneten Tagen sieht das LA in «Bosch» aus wie die postapokalyptischen Stadtlandschaften im Kultfilm «Blade Runner».
Solides Krimihandwerk
Und wie ihr Protagonist Harry Bosch, trägt die Serie nie zu dick auf. Keine übersinnlichen Mysterien, keine Tabubrüche, keine an den Haaren herbeigezogenen Handlungssprünge. «Bosch» ist nicht als Medienspektakel konzipiert. Einfach eine gut geschriebene Krimiserie, die von der ersten bis zur letzten Sekunde spannend ist. Finde ich zur Abwechslung auch mal wieder angenehm.
Hier gibt es die Folgen nach Ausstrahlung 14 Tage lang online bei «Play SRF».