Fredy Huber aus dem Kanton Zürich bezahlt für Ersatzteile nicht mehr jeden Preis. Eine frühere Erfahrung mit einem VW Golf machte ihn schlau: Seine Garage verlangte für den Ersatz der Lichtmaschine über 500 Franken.
Das gleiche Ersatzteil viel günstiger: Branchen-Insider Mark Winiker überrascht das überhaupt nicht. Der Luzerner war über 20 Jahre im Ersatzteil-Geschäft tätig. Jetzt ist er pensioniert, und packt aus. Im Interview mit «Kassensturz» verrät Mark Winiker: «Die Marge ist in der Schweiz extrem hoch, beispielsweise im Vergleich zu Deutschland. Obschon es die gleichen Ersatzteile, die gleichen Autos und die gleichen Dienstleistungen sind.»
Beispiel: Golf Bremsscheibe
Ein konkretes Beispiel: Ein Golf, das meistverkaufte Auto in der Schweiz, braucht neue Bremsscheiben. «Kassensturz» holt Offerten ein bei AMAG, dem offiziellen VW-Importeur und in Deutschland bei einer VW Vertretung in Freiburg.
In spezialisierten Online-Shops, wie beispielsweise «Teiledirekt.de», suchen wir ebenfalls nach passenden, von VW zertifizierten Bremsscheiben. Solche Online-Ersatzteilhändler liefern auch in die Schweiz an Private oder und Werkstätten.
Amag mit Abstand am teuersten
Der Preisvergleich bringt‘s an Licht. Die Bremsscheiben kosten bei Amag am meisten: 240 Franken ohne Arbeit und Mehrwertsteuer. Gleichwertige Scheiben kosten beim Spezialisten im Internet dreimal weniger: 79 Franken, ohne Steuern, Zoll- und Lieferspesen.
Amag rechtfertigt die hohen Preise damit, dass Ersatzteile auch für ältere Modelle jahrelang verfügbar sein müssten. Und ihre Ersatzteile seien Originalteile. Für Insider Mark Winiker ist das ein schwaches Argument: «Ich besuchte eine Bremsscheibenfabrik in Italien. Das Werk produzierte am morgen Bremsen für diese Marke, nachmittags für eine andere. Alle Teile kamen aus der gleichen Maschine!» Unterschiedlich sei nur die Verpackung am Schluss gewesen, so der Branchenkenner.
Gleiche Teile, unterschiedliche Verpackung
Auch Bosch, ein globaler Zulieferer der Autoindustrie, bedient verschiedene Kanäle. «Kassensturz» besuchte die Bosch-Zündkerzenfabrik im Bayrischen Bamberg. Das Werk produziert eine halbe Million Zündkerzen, pro Tag!
Besonders aufwändig im Produktionsprozess: die abschliessende Konfektionierung für die Autohersteller. Die identische Bosch-Zündkerze geht in verschiedene Kanäle, bestätigt der Produktmanager Márcio Coelho: «Die gleichen Zündkerzen, welche wir für die Autohersteller produzieren, sind auch im Ersatzteilhandel erhältlich. 1:1 die selbe Technologie.» Der Autofahrer fährt somit dann am besten, wenn sein Garagist die Teile beim günstigsten Ersatzteil-Anbieter besorgt.
Ersatzteil Branche orientiert sich teuersten
In der Schweiz läuft ein grosser Teil über das Händlernetz der Autoimporteure wie Amag, Fiat, Opel, BMW oder Toyota von Emil Frey. Daneben gibt es auch spezialisierte Ersatzteilhändler wie Derendinger und Hostettler. Sie beliefern vor allem freie Garagen.
Vor 10 Jahren zeigte «Kassensturz», dass freie Anbieter oft günstiger sind als die offiziellen Händler der Autoimporteure. Wie günstig sind die «freien» Derendinger und Hostettler heute? Welche Deals machen sie mit den Garagisten?
«Kassensturz» loggt sich bei Derendinger und Hostettler ein mit einem Garagisten-Passwort. Wir finden tausende von Ersatzteilen und deren Preise. Auch der mögliche Profit für den Garagisten, der die Teile einbaut, erscheint. Er profitiert von einem angeblichen Rabatt von 44 Prozent. Das ist seine Marge. 40 Prozent und mehr sind normal. Berappen muss diese Margen der Autofahrer. Ein weiterer Preisvergleich für einen Anlasser für einen Fiat 500 liefert den Beweis.
Beispiel 2: Anlasser für Fiat 500
Das Ersatzteil kostet beim offiziellen Fiat-Importeur: 516 Franken. Die unverbindliche Preisempfehlung von Derendinger an die Werkstätten: 516 Franken. In der selben Grössenordnung die Preisempfehlung von Hostettler. Den gleichen Qualitätsanlasser gibt es im Internet bei ATP Autoteile bereits für 209 Franken, weniger als die Hälfte.
In der Branche orientiert man sich offenbar am Preis des Teuersten. Derendinger, Hostettler sind keine Preisbrecher mehr. Vom Ersatzteilimporteur bis zur Garage alle schielen sie auf ihre Marge, beobachtet Insider Mark Winiker: «Die Interessen der Automobilisten bleiben da auf der Strecke. Sie kommen an die Kasse.»
Beispiel 3: Bremsbeläge Subaru Tribeca
Wie kommen die hohen Endpreise auf der Reparaturrechnung zustande? Das Beispiel für einen Subaru Tribeca. Die vorderen Bremsbeläge kosten den Importeur gemäss Insiderangaben zwischen 37 und 43 Franken. Dieser verkauft das Ersatzteil weiter an den Garagisten für einen Preis zwischen 80 und 111 Franken.
Der Garagist langt auch kräftig zu und verlangt vom Autobesitzer bis zu 178 Franken. Das importierte Ersatzteil verteuert sich innerhalb der Schweiz um ein Mehrfaches!
So rechtfertigt sich die Branche
«Kassensturz» konfrontiert die Branche mit den massiven Preisaufschlägen. Alle Kritisierten verzichten auf konkrete Erklärungen und Stellungnahmen vor Kamera. Schriftlich rechtfertigen die die hohen Schweizer Ersatzteilpreise mit schnellen Lieferzeiten und einer grosser Verfügbarkeit. Ausserdem würden bei ihnen keine Zoll- und Liefergebühren fielen keine an. Zu den Margen: kein Kommentar.
Im «Kassensturz» nimmt der Direktor von Auto-Schweiz Andreas Burgener Stellung.