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Gruppe A mit Neuseeland, der Schweiz, Norwegen und den Philippinen
Aus FIFA Women's World Cup 2023 vom 14.07.2023.
abspielen. Laufzeit 26 Minuten 19 Sekunden.

Schweizer Gegnerinnen im Fokus Die Philippinen zwischen «Isa pa!» und Identitätssuche

Nur schon die WM-Teilnahme des Inselstaats ist eine Sensation. Doch die vielen «Fil-Ams» sorgen mitunter für Diskussionen.

Es kam einer ziemlichen Überraschung gleich, als Alen Stajcic im Oktober 2021 als Trainer des philippinischen Frauen-Nationalteams vorgestellt worden war. Was bitte gedachte der Australier, der 5 Jahre lang die Australierinnen gecoacht und 2015 in den WM-Viertelfinal geführt hatte, mit dem Inselstaat zu erreichen? Nie war den Philippinen im Fussballsport etwas Nennenswertes gelungen – weder bei den Männern noch bei den Frauen.

Eine noch grössere Überraschung war, was Stajcic dann aber tatsächlich innert kürzester Zeit auf die Beine stellte. Mit dem Viertelfinal-Einzug über Taiwan an der Asienmeisterschaft 2022, die jeweils auch als WM-Quali dient, löste Stajcic das WM-Ticket.

«Isa pa, isa pa!»

Das war Ende Januar, kein halbes Jahr später doppelten die Philippinen nach. Immerhin 8300 Zuschauer sahen, wie die Stajcic-Equipe im Final der Südostasien-Meisterschaft Thailand 3:0 bezwang und erstmals eine Trophäe absahnte. Der Ausruf «Isa pa, isa pa!» – Tagalog für «noch ein Tor, noch ein Tor!» – hallte durch das Rizal Memorial Stadium.

Doch ausgerechnet inmitten dieser historischen Erfolge entbrannte eine Diskussion um die Herkunft der Spielerinnen. Denn: Nur 4 der 27 für den Asien-Cup aufgebotenen Akteurinnen sind auch auf den Philippinen geboren. Die überwiegende Mehrheit gehört der Filipino-Diaspora in den USA an. Von 1898 bis 1946 lebten die Philippinen unter US-amerikanischer Besetzung, 2019 wurden in den USA 4,2 Millionen Menschen mit Filipino-Hintergrund gezählt. Der wechselseitige Kulturschock ist also kein allzu grosser.

Fussballspielerin
Legende: Fussballspielerin und Filmemacherin Reina Gabriela Bonta drehte einen Kurzfilm namens «Lahi». Das bedeutet in Filipino «Herkunft» und treibt zugleich viele in den USA geborene Menschen von den Philippinen um. Imago/Zuma Wire

So hiess es mitunter auf den sozialen Medien, die Spielerinnen seien «nicht philippinisch genug». Kiara Fontanilla, auch sie eine «Fil-Am» (Filipino-American), wehrte sich an einer Medienkonferenz: «Wir sind alle Filipinas. So etwas wie ‹nicht philippinisch genug› gibt es nicht.» Die in Kalifornien aufgewachsene Torhüterin Olivia McDaniel meinte, solche Aussagen seien verletzend.

Wanderjahre der Sarina Bolden

Der Ursprung des philippinischen Erfolgs gründet auf dem Scouting in den USA. Sinnbildlich dafür steht Sarina Bolden. Die 27-jährige Mittelfeldspielerin kam in Kalifornien zur Welt und spielte zunächst für die U23 der USA. Dann wurde der damalige Trainer der Philippinen auf sie aufmerksam. Seither hat Bolden 35 Mal das philippinische Trikot getragen und dabei 22 Tore erzielt. Bei den heimischen Fussballfans unsterblich machte sie sich, als sie gegen Taiwan den entscheidenden Penalty zur WM-Qualifikation versenkte.

Kulturschock ist für Bolden ohnehin kein Thema. Seit 2019 spielte sie bei Sandvikens (SWE), in Taiwan, San Francisco, bei Elfen Saitama (JPN) und ist nun in Australien unter Vertrag. Passenderweise bei den Western Sydney Wanderers.

Auch mit Knipserin Bolden und Überraschungs-Experte Stajcic wird es für die Philippinen in Neuseeland wohl nur Erfahrung zu gewinnen geben. Doch der 49-Jährige denkt ohnehin grösser: «Der Fussball ist auf den Philippinen nur die Nummer 4 unter den Sportarten. Die WM-Teilnahme soll ihm einen Schub verpassen.»

SRF zwei, sportlive, 05.07.2023 18:50 Uhr ; 

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