Zum Inhalt springen

Stuttgarts Goalie im Interview Kobel: «Stelle mich bewusst den Herausforderungen»

Auf eine rauschende Aufstiegsfeier mit Stuttgart musste Gregor Kobel aufgrund der Corona-Massnahmen verzichten. Dafür konnte er im Gegensatz zu vielen anderen Profifussballern in der Sommerpause ausspannen und sich auf Mykonos erholen.

Weil die deutschen Ligen den Spielbetrieb früh wieder aufgenommen und die Meisterschaft noch im Juni beendet haben, fühlte es sich «beinahe wie eine normale Vorbereitung» an, meint Kobel. Nachdem er nun von Stuttgart fix verpflichtet wurde, will der 22-jährige Torhüter den nächsten Schritt machen und sich auch für die Nationalmannschaft empfehlen.

SRF Sport: Bevor Sie fix zu Stuttgart gewechselt haben, soll Ihnen auch Hertha BSC ein Angebot gemacht haben. Wieso haben Sie dennoch für Stuttgart entschieden?

Es war für mich von Beginn weg eine Riesenehre, bei solch einem Traditionsverein spielen zu dürfen. Ich denke, dass ich hier das optimale Umfeld habe, um mich weiterzuentwickeln. Ich freue mich auch, jetzt ein «richtiger» Teil des Teams und nicht nur ausgeliehen zu sein. Wir sind eine junge Mannschaft und haben die Ambition, wieder dorthin zu gelangen, wo der Klub einst war. Wie schnell das gehen wird, werden wir sehen.

Ich hatte mir gar nicht gross überlegt, was das alles nach sich ziehen würde.

Sie sind bereits mit 16 Jahren nach Hoffenheim gewechselt. Warum sind Sie schon so früh ins Ausland gegangen?

Hoffenheim legte mir schon damals einen detaillierten Plan vor, wie sie sich die Zusammenarbeit mit mir vorstellen und wie sie mich in kurzer Zeit an die Profis heranführen wollen. Solch ein Plan fehlte mir damals in der Schweiz.

Dennoch dürfte es für Sie nicht ganz einfach gewesen sein, in diesem jungen Alter das traute Heim zu verlassen.

Sportlich gesehen war der Entscheid für mich einfach. Dennoch war es superschwierig, mit 16 in ein anderes Land zu ziehen, weg von Familie und Freunden. Aber ich fand es damals eigentlich total cool und wollte die Chance unbedingt ergreifen. Ich hatte mir gar nicht gross überlegt, was das alles nach sich ziehen würde.

Litten Sie auch mal an Heimweh?

Eigentlich nicht, nein. Ich hatte eine super Zeit in Hoffenheim. Der Klub machte einen Topjob, junge Spieler ans Erwachsensein heranzuführen. Sie brachten uns bei, einen eigenen Tagesablauf zu planen. Mit Einkaufen, Waschen, alles, was es braucht, um auf eigenen Beinen stehen zu können.

Überhaupt scheint die Karriere von Kobel extrem gut geplant und durchdacht. Seine erste Ausleihe von Hoffenheim brachte ihn nach Augsburg. Abstiegskampf pur mit einem Happy End, der Ligaerhalt wurde geschafft. Danach die Leihe in die 2. Bundesliga nach Stuttgart, das im Gegensatz zu beispielsweise dem HSV den direkten Wiederaufstieg schaffte.

Mit Augsburg hätten Sie absteigen können, mit Stuttgart den Aufstieg verpassen. Welchen Anteil hat das Glück ausgemacht bei Ihrer Karriereplanung?

Ich habe mich immer ganz bewusst diesen Herausforderungen gestellt. Es ist ein Vorteil, wenn man schon früh solche Erfahrungen machen kann. Das bringt dich menschlich und fussballerisch weiter. Nach dem halben Jahr in Augsburg habe ich mich mit meinem Beraterteam zusammengesetzt und den nächsten Schritt besprochen. In Stuttgart herrschte dann eine ganz andere Art von Druck. Nach dem Abstiegskampf ging es plötzlich darum, jedes Spiel zu gewinnen. Es zählte nur der Aufstieg, nichts anderes.

Die Nati ist auf jeden Fall ein Ziel. (...) Aber ich habe da keinen Fahrplan.

Für Sie war auch klar, dass Sie lieber in der 2. Liga spielen als in der Bundesliga zuschauen zu müssen?

Ich war bei Hoffenheim schon 2 Jahre auf der Bank. Mit 21 war für mich klar, dass ich jetzt spielen muss. Als junger Torhüter musst du jedes Wochenende auf dem Platz stehen, um Erfahrung zu sammeln und weiterzukommen.

Welche Ziele verfolgen Sie nun mit Stuttgart?

In erster Linie wollen wir natürlich in der Liga bleiben. Darüber hinaus wird es darum gehen, dass sich jeder individuell und das Team als Ganzes weiterentwickeln. Wir haben nur wenig Spieler mit Bundesliga-Erfahrung. Wenn das mit der Entwicklung klappt, kommt der Erfolg automatisch.

Wie präsent ist die Nationalmannschaft in Ihrem Kopf?

Die Nati ist auf jeden Fall ein Ziel. Aber ich bin noch sehr jung. Ich hoffe, dass ich mich mit guten Leistungen in Stuttgart empfehlen kann. Aber ich habe da keinen Fahrplan.

Es gibt eine Fülle an Schweizer Top-Goalies. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Ich bin zwar früh ins Ausland gewechselt, ich weiss aber, dass Nati-Torhütertrainer Patrick Foletti einen super Job macht. Er hat Torhüter-Trainer weitergebildet, viele Schulungen besucht und viel in das Torhüter-Spiel in der Schweiz investiert. Es ist wohl zu einem grossen Teil auch sein Verdienst.

Wenn Sie einem 16-Jährigen nun einen Tipp geben müssten, wie er seine Karriere planen soll, was würden Sie ihm sagen?

Eine schwierige Frage. Jeder muss für sich selber den optimalen Weg finden. Grundsätzlich muss man es gerne machen und wissen, auf was man sich einlässt. Man muss auf Sachen verzichten können, um seine Ziele zu erreichen. Wenn man sich von ganzem Herzen darauf einlässt, wird dabei etwas Erfolgreiches herauskommen.

Das Gespräch führte Daniel Bossi.

Radio SRF 1, Abendbulletin, 17.09.2020, 18:45 Uhr

Meistgelesene Artikel