Am 4. Wettkampftag sah sich das Internationale Olympische Komitee zu einem Machtwort genötigt. «Man muss die brasilianischen Fans von ihrer Fussball-Euphorie hin zu einer Fair-Play-Kultur bringen», sagte IOC-Sprecher Mark Adams.
Phelps und Djokovic vom Lärm angetan
Ob beim Tischtennis oder Fechten, beim Judo oder Schwimmen: Die «Torcedores» verwandeln die olympischen Wettkampfstätten in Tollhäuser – auch dann, wenn sich nur wenige Fans in den Arenen befinden.
Das Aquatics Centre beispielsweise wird von den Medien in Anlehnung an den legendär lauten argentinischen Fussball-Tempel schon «Bombonera» genannt. Rekord-Olympiasieger Michael Phelps schwärmte: «Ich kann mich nicht erinnern, jemals etwas Ähnliches gehört zu haben.»
Wir weisen darauf hin, dass sie nicht zu laut sein sollen. Aber es ist uns so lieber, als wenn keine Stimmung aufkäme.
Tennis-Ass Novak Djokovic war von den Anfeuerungsrufen überrascht: «Ich dachte, ich wäre bei mir zu Hause, ich wäre Brasilianer.» Auch sein Bezwinger Juan-Martin Del Potro lobte die Atmosphäre. Doch den Faustkampf zwischen einem brasilianischen und einem argentinischen Zuschauer kritisierte er: «Wir sind hier nicht beim Fussball.»
Todesdrohungen gegen brasilianische Gegnerin
Die Stadionsprecher sehen sich gezwungen, fortwährend zu mehr Zurückhaltung zu mahnen. Beim Halbfinal der späteren Judo-Olympiasiegerin Rafaela Silva gegen Corina Caprioriu riefen die Fans der Rumänin «Vai morrer!» zu. Auf Deutsch übersetzt heisst das: Du wirst sterben!
Die Zeitung O Globo spricht von «schamlosen Anhängern» am Zuckerhut. «Wir weisen darauf hin, dass sie nicht zu laut sein sollen. Aber es ist uns so lieber, als wenn keine Stimmung aufkäme», erklärt OK-Sprecher Mario Andrada.
Die Brasilianer wissen aus ihrem normalen Leben nicht, was Fairness ist.
Während die Lokalmatadoren teils sogar via Lautsprecher animiert werden, werden Gegner der brasilianischen Lieblinge oft gnadenlos niedergemacht. «Oh, Zika», schallt es dann etwa durch die Beachvolleyball-Arena an der Copacabana. «Sie kennen die Grenze nicht, wir sind auch nur Menschen», klagte die Tschechin Marketa Slukova.
Es kann auch Neymar treffen
Probleme kann es auch geben, wenn keine Brasilianer im Einsatz stehen. Es kämen kaum Leute und wenn, dann solche «die Handball sonst nicht gucken», sagt der deutsche Europameister Hendrik Pekeler. Die Atmosphäre sei «sehr komisch. Erst jubeln dir die Leute zu, dann wird man ausgebuht.» Das trifft sogar die grössten einheimischen Helden: Superstar Neymar wurde nach dem zweiten 0:0 vom eigenen Anhang verhöhnt.
Sendebezug: Laufende Olympia-Berichterstattung