Ob im Wartezimmer beim Arzt, im Stau, oder an einem verregneten Sonntag zu Hause – jeder kennt den Zustand: Langeweile. So allgegenwärtig das Gefühl auch ist, so wenig wurde es bisher erforscht. Kanadische Wissenschaftler haben sich nun des Themas angenommen, denn Langeweile ist alles andere als nebensächlich. Gelangweilte Piloten oder Autofahrer stellen nämlich ein Unfallrisiko dar. Und Langeweile spielt sowohl bei Depression als auch bei Spielsucht eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Von antriebslos bis übererregt
Der Psychologe John Eastwood von der York-University in Toronto hat die bestehende Forschung zu diesem Phänomen zusammengetragen. Gelangweilt kann man demnach aus drei Gründen sein:
- Es gibt nichts, was man gerade tun könnte.
- Man ist gezwungen, etwas zu tun, das man gar nicht tun möchte.
- Es fehlen einem die Ideen, was man tun könnte.
«Das sind die drei Möglichkeiten. Der Effekt ist, dass der Mensch sich mit der Welt nicht auf befriedigende Art und Weise beschäftigt und auseinandersetzt», sagt Eastwood, «das ist mit negativen Gefühlen verbunden: Der Mensch fühlt sich antriebslos und lethargisch oder aber übererregt und rastlos. Und manchmal pendelt er zwischen diesen beiden Polen hin und her.»
Egal, ob die Langweile von Lethargie oder Erregung begleitet ist, gibt es also einen gemeinsamen Nenner: die Aufmerksamkeit. Sie wird nicht auf befriedigende Weise in Anspruch genommen.
Ein Störfaktor für Forscher
Studien über Langeweile sind aber nicht nur um ihrer selbst willen wichtig. Der Leerlauf im Gehirn ist ein potentieller Störfaktor bei psychologischen Experimenten, wie Neurowissenschaftler Daniel Smilek von der Waterloo University in Ontario sagt: «Man merkt Testpersonen oft an, dass sie damit kämpfen, nicht einzuschlafen. Für Studien in einem Magnetresonanz-Tomographen zum Beispiel müssen sie manchmal 40 Minuten lang ganz still liegen. Es ist nicht leicht, da wach zu bleiben.»
Bei psychologischen Studien sind auch die Aufgaben selbst oft langweilig; beispielsweise müssen Testpersonen einen Knopf drücken, wenn ein bestimmtes Objekt auf einem Bildschirm auftaucht. Damit eine solche Untersuchung statistisch aussagekräftig ist, müssen die Testpersonen diesen Vorgang sehr oft wiederholen – bis zu 300 Mal. Kein Wunder, dass den Menschen dabei langweilig wird, sie mit den Gedanken abschweifen oder in Tagträume verfallen. Und darunter leidet dann die eigentliche Aufgabe.
Was messen psychologische Experimente?
Wie und wie stark sich das auf die Studienergebnisse, etwa über Aufmerksamkeit oder Gedächtnisleistung, auswirkt, lässt sich derzeit nicht feststellen. «Aber es ist gut möglich», meint Smilek, «dass wir viele solche Studien mit spannenderen Experimenten wiederholen sollten.» Denn sonst zeigen etwa Aufnahmen des Gehirns vielleicht gar nicht das, was die Forscher zu messen glaubten – sondern eben pure Langeweile.
Dass man manchmal gänzlich Falsches misst, zeigte sich jüngst in extremer Form in einer Magnetresonanztomographie-Studie. Ein Lachs sollte sich im Scanner bestimmte Fotos anschauen. Und tatsächlich massen die Forscher dabei in seinem Gehirn eine bestimmte, wenn auch sehr schwache Hirnaktivität. Der Fisch schien also die Fotos zu sehen und zu verarbeiten. Dabei war er längst tot.