Annullationsversicherungen übernehmen die anfallenden Kosten, wenn eine Reise nicht stattfinden kann, zum Beispiel weil im Ferienland Unruhen herrschen. Beunruhigt durch die blutigen Proteste in Istanbul wollte «Espresso»-Hörer Martin Müller aus Sumiswald seine geplante Reise absagen. Doch seine Reiseversicherung hatte kein Verständnis für die Bedenken des fünffachen Familienvaters.
Wer freiwillig verzichtet, hat das Nachsehen
Tatsächlich stützen sich die meisten Versicherungsgesellschaften im Kleingedruckten auf die Empfehlungen des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Erst wenn diese Stelle ausdrücklich von einer Reise abrät, muss die Versicherung die mit einer Annullation verbundenen Kosten übernehmen. Wer wie Martin Müller schon früher freiwillig auf eine Reise in ein heikles Gebiet verzichtet, ist meist auf das Entgegenkommen seiner Versicherung angewiesen.
Von ihrer Versicherung im Stich gelassen fühlt sich auch das Ehepaar Franz und Sabine S. Seit Jahren zahlt das Ehepaar Prämien für eine Annullations- und Reiseversicherung. Letztes Jahr buchte Franz S. eine Kreuzfahrt für rund 5000 Franken. Wenige Wochen vor der Reise verspürte seine Frau Schluckbeschwerden. Kurze Zeit später der Schock: Ihr Arzt diagnostizierte eine schwere Immunkrankheit. Statt der gebuchten Kreuzfahrt standen langwierige Behandlungen an.
«Wozu hat man eine Versicherung?»
Franz S. meldete sich bei seiner Annullationsversicherung. Doch die winkte ab. Versicherungsleistungen seien ausgeschlossen, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits eine Krankheit bestanden hätte. Ob die Versicherte wie im Beispiel von Frau S. etwas von ihrer Krankheit wusste, sei «nicht erheblich». «Unglaublich», findet Franz S. «Wozu hat man denn eine solche Versicherung, wenn sie sich bei jeder Gelegenheit drücken kann?»
Was wie ein schlechter Scherz tönt, findet sich in den Allgemeinen Versicherungsbestimmungen (AVB) vieler Gesellschaften. Wer auf Versprechen wie «Ein Jahr in Sicherheit - weltweit» vertraut und das Kleingedruckte nicht genau liest, kann wie Martin Müller oder das Ehepaar S. böse Überraschungen erleben.
Neben Unruhen oder Naturkatastrophen springen Annullationsversicherungen ein, wenn man eine Reise wegen Krankheit, Unfall, Todesfall in der Familie oder Stellenverlust nicht antreten kann oder weil die Wohnung durch Hochwasser oder nach einem Einbruch verwüstet worden ist.
Grundsätzlich. Denn die Liste mit den Ausschlussgründen in den jeweiligen Allgemeinen Vertragsbedingungen ist lang und varientenreich. Nicht gedeckt oder nur unter speziellen Voraussetzungen sind bei den meisten Gesellschaften folgende Situationen:
- Vorbestehende Krankheiten, auch wenn der Versicherte noch gar nichts davon wusste.
- Komplikationen nach Operationen.
- Situationen, die ein Versicherter selbst verschuldet hat (zum Beispiel eine fristlose Kündigung).
- eine Schwangerschaft, die ohne Komplikationen verläuft.
Für Versicherungsgesellschaften ist aber Krankheit nicht gleich Krankheit. Bei psychischen Leiden beispielsweise werden den Betroffenen zusätzliche Pflichten auferlegt. Die meisten Gesellschaften akzeptieren nur Zeugnisse von Fachärzten für Psychiatrie. Darüber hinaus verlangen einzelne Gesellschaften noch eine Bestätigung des Arbeitgebers, dass der Angestellte tatsächlich am Arbeitsplatz gefehlt hat. Andere zahlen nur, wenn ein stationärer Aufenthalt in einer Klinik notwendig war.
Wer nicht zum Arzt rennt, riskiert Leistungskürzungen
Wer sich im Vorfeld einer Reise nicht gut fühlt, sollte auf keinen Fall zuwarten und auf Besserung hoffen, sondern sich umgehend mit der Versicherung in Verbindung setzen. In fast allen Bestimmungen steht, dass der Versicherte einen «möglichen Schaden» sofort zu melden hätte, samt entsprechenden Attesten und Belegen. Wer zuwartet, riskiert eine Leistungskürzung oder gar einen Ausschluss. Wegen «Verletzung der Schadenminderungspflicht».
Eine Annullationskostenversicherung springt übrigens nur ein, wenn man eine Reise nicht antreten kann. Wer in den Ferien krank wird, braucht für allfällige Behandlungs- und Rücktransportkosten eine Assistance-Versicherung. Bei grösseren Reisen oder Reisen in Länder mit hohen Gesundheitskosten ist eine solche Versicherung sinnvoll.
Versicherungsgesellschaften bieten kombinierte Anullations- und Reiseversicherung als temporäre oder Jahresversicherungen an. Letztere lohnen sich für Leute, die viel unterwegs sind und für Familien. Und aufgepasst: In den Allgemeinen Versicherungsbestimmungen von Jahresversicherungen hat es häufig eine automatische Verlängerungsklausel. Wer nicht drei Monate vor Ablauf kündigt, ist ein weiteres Jahr an die Gesellschaft gebunden.
Tipps für den Abschluss einer Reiseversicherung
- Annullations- und Reiseversicherungen sind nicht obligatorisch. Bei Onlinebuchungen muss meist ein bereits angekreuztes Feld deaktiviert werden, wenn man die Versicherung nicht wünscht. Sonst riskiert man unter Umständen eine Doppelversicherung.
- Nicht nur auf den Preis schauen. Vergleichen Sie die Allgemeinen Versicherungsbestimmungen (AVB), insbesondere die Ausschlussgründe.
- Wer gesundheitliche Einschränkungen hat, sollte sich vor der Buchung einer Reise seine «Reisefähigkeit» ärztlich attestieren lassen. Einzelne Versicherungsgesellschaften bestehen sogar auf einem solchen Attest.
- Wer mit Freunden als Gruppe verreist, sollte eine spezielle Gruppenversicherung abschliessen.
- Bei gesundheitlichen Problemen die AVB lesen und sofort die Versicherung informieren. Sonst drohen Leistungskürzungen.
- Bei sehr günstigen Reisen lohnen sich Annullations- oder Reiseversicherungen kaum.
- Empfehlenswert sind kombinierte Annullations- und Reiseversicherungen oder Schutzbriefe. Dann sind auch die Rückreise- und Behandlungskosten gedeckt, wenn man am Ferienort krank wird. Das ist besonders wichtig in Ländern mit hohen Gesundheitskosten.
- Auf der Police den Versicherungsbeginn kontrollieren: Ein Versicherungsbeginn am Tag der Reise macht bei Annullations- und kombinierten Versicherungen keinen Sinn, weil in diesem Fall Absagen vor diesem Tag nicht versichert sind.
- Wenden Sie sich bei Fragen zur Reiseversicherung an die Versicherungsgesellschaft, nicht ans Reisebüro. So verhindern Sie unter Umständen kostspielige Missverständnisse.