«Ich bin fast Ende 50 und die Starrheit eines Theaterbetriebs bekomme ich genauso zu spüren wie vor über 30 Jahren. Ich, Kind der freien Szene, denke: ‹Alles muss möglich sein.› Doch das Schauspielhaus ist ein strukturierter, logistisch sehr komplizierter Betrieb», erzählt der Schweizer Filmregisseur Dani Levy.
Der Realität nahe
Der gebürtige Basler betritt mit seiner Regiearbeit im Schauspielhaus Zürich Neuland. 2004 hat er zwar für das Theater Basel das Stück «Freie Sicht aufs Mittelmeer» geschrieben. Gezeigt hat er es aber auf der Strasse. «Ich habe mir noch nicht zugetraut, in einem Kunstraum zu inszenieren. Ich bin vom Film her realitätssüchtig», gestand er damals in einem Interview mit Kulturplatz.
Mit «Schweizer Schönheit», seiner ersten Inszenierung in einem Kunstraum, stösst Freigeist Levy nun an seine Grenzen. Levy nimmt's positiv: «Für mich ist es ein guter Wake-Up-Call, weil ich merke, die Welt, in der ich lebe, ist – auf eine Art – nicht die Realität.»
Levy, der Freigeist
Als Kind stand Dani Levy als Clown in der Manege des Jugendzirkus Basilisk. Danach sammelte der Autodidakt erste Bühnenerfahrung am Theater Basel, unter anderem im Aufklärungsstück «Kasch mi gärn ha» (Originaltitel: «Was heisst hier Liebe»). Der 20-Jährige kam so in Kontakt mit dem Berliner Theater Rote Grütze, aus deren Feder das Stück stammt.
1980 wandert Levy in die deutsche Metropole aus, wird Mitglied der Roten Grütze. In Berlin erwacht seine Liebe zum Film. Mit Kollegin und Lebensgefährtin Anja Franke wagt er sich an seinen ersten Spielfilm. «Du mich auch» begründet Levys cineastischen Höhenflug. Mit Werken wie «Väter», «Alles auf Zucker» (der beim Deutschen Fernsehpreis sechs Lolas gewann), «Mein Führer» oder «Das Leben ist zu lang» macht sich der Wahlberliner einen Namen als Drehbuchautor und Regisseur, der Witz und Biss aufs Trefflichste miteinander zu verbinden weiss.
Ein kritisch-liebender Blick auf die Heimat
Witz und Biss, das sind auch die Ingredienzen für die «fundamentalistische Komödie», wie Levy sein Stück «Schweizer Schönheit» nennt. Bünzli Balz Häfeli kämpft darin gegen das vermeintlich perfekte Leben in der Vorstadt.
Häfeli, der zu seinem 50. Geburtstag geladen hat, wird von Freunden und Familie nicht gefeiert, sondern gedemütigt. Die Kinder finden ihn nur peinlich, seine Frau geht fremd, schläft sogar mit Häfeli Senior. Sein neuer Nachbar wird statt ihm befördert und eröffnet Häfeli, dass er seine Stelle verlieren wird. Häfeli bricht zusammen, bricht aus, lebt fortan ein autonomes Leben, wird zum Aussenseiter, zum Störenfried, zum Feindbild. Das hat Konsequenzen.
Trotz heftiger Kritik an der Schweiz und der Gesellschaft spricht Levy von einer Liebesgeschichte, denn Balz Häfeli findet zu sich selbst. Levy: «Er liebt sich überhaupt nicht mehr, ist ein Schatten seiner selbst. Der Prozess, der dann stattfindet, ist primär eine Liebesgeschichte. Es ist auch eine Liebesgeschichte zwischen ihm und der Schweiz. Und es geht um die Frage: Wo ist die Schweiz selbstliebend, wo ist sie selbsthassend?»
Ein persönliches Stück
In «Schweizer Schönheit» stecke ganz viel Levy drin. Er könne nichts Abstraktes schreiben oder etwas inszenieren, das nicht bei ihm persönlich stattgefunden habe: «Ich kenne Momente tiefster Selbstzweifel; Lebenskrisen, in denen ich das Gefühl habe, ich bin auf dem falschen Planeten. Ich weiss gar nicht, ob das, was ich mache, geliebt wird. Manchmal habe ich das Gefühl, man braucht meine Kunst nicht. Die Art von Krise kennen die meisten von uns. Das führt in einer zugespitzten Form sicher auch zu einem Zusammenbruch, aber ich lasse das meine Figuren dramatisch ausleben.» Levy schmunzelt.