Die Angebote auf der Internetplattform Fiverr.com sind vielfältig: eine Choreographie, eine Grafik für ein Firmenlogo, ein persönliches Gespräch. Für fünf Dollar sind sie dabei!
Auch die Autorin Ariane Koch, der Regisseur Zino Wey und die Ausstatterin Moira Gilliéron haben sich auf Fiverr.com umgeschaut. Alle Kompositionen, Video- und Tonaufnahmen ihres neuen Theaterprojekts «Homo Digitalis» wurden dort gekauft.
Uniformierte Kreativität
«Zum Preis von fünf Dollar haben DienstleisterInnen aus der ganzen Welt individuelle Produkte geschaffen und sämtliche Urheber- und Aufführungsrechte mitverkauft.» Diese Erklärung steht am Anfang der Aufführung an der Wand einer engen Holzbox im hinteren Teil der Bühne. Dann betreten die SchauspielerInnen diese karg eingerichtete Box: zwei Frauen und zwei Männer, in dunklen Rollkragenpullis, Jeans und weissen Turnschuhen. Ihre Uniformiertheit markiert einen Gegensatz zu der Behauptung, die hinter jedem Angebot auf Fiverr.com steht: die Kreativität des Individuums.
Digitale Arbeitswelt
Neben der Vermittlungsplattform Fiverr.com hat sich das Theaterkollektiv von der sogenannten «Klickindustrie» inspirieren lassen: globale Arbeitskräfte, die pro Klick bezahlt werden und zum Beispiel dafür angestellt sind, Bilder zu erkennen. Also Leistungen, die Computer (noch) nicht ausführen können.
Auch wenn Gilliéron/Koch/Wey sichtlich in ihre Recherche nach der Zukunft der Strukturen und Dynamiken in einer zunehmend von Computern, Maschinen und Algorithmen gesteuerten Arbeitswelt eingetaucht sind, haben sie kein dokumentarisches Theaterstück daraus gemacht. Vielmehr erschaffen sie auf der Bühne emotionale Erfahrungswelten, die gerade in der Abstraktion der Darstellung überzeugen: ein Blick ins Innere eines digitalen Arbeiters der Zukunft.
Talentiertes Theaterkollektiv
Die Texte von Ariane Koch umkreisen dabei die Themenfelder Arbeitsprekariat, Menschsein und Kreativität. Und auch hier ist bemerkenswert, wie eigen die junge Autorin mit ihrem Material umgeht, und wie sie ihre Textstruktur direkt aus diesem Material heraus entwickelt hat.
Als Ganzes zeigt der Abend, dass gerade die Reduktion auf die klassischen Parameter des Theaters – Raum, Spiel, Text – die Komplexität der Fragestellung erlebbar macht.
Auf jeden Fall ist man froh, dass die Theaterarbeiter (noch) nicht durch Roboter ersetzt wurden und auch für das Publikum noch kein Algorithmus gefunden wurde, der das Lachen und Applaudieren steuern könnte. Klick.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 01.04.2016, 17:15 Uhr.