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Gleich drei «Carmen» im Schauspielhaus Zürich
Aus Kultur-Aktualität vom 06.05.2024. Bild: Inés Manai
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 7 Sekunden.
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Schauspielhaus Zürich Eine queere «Carmen» gibt es nicht? Doch, zeigt Wu Tsang

Wu Tsang war Hausregisseurin am Schauspielhaus Zürich. Jetzt verabschiedet sie sich mit einer «Carmen», die mehr verspricht, als sie hält.

Nicht eine, sondern gleich drei Carmen stehen am Anfang des Stücks auf der Bühne: Eine Opernsängerin, eine Tänzerin und ein Schauspieler spielen die ikonisch gewordene Protagonistin aus George Bizets gleichnamiger Oper.

Personen auf einer dunklen Bühne.
Legende: Wu Tsang und «Moved by Motion» inszenieren die Oper als spartenübergreifendes Schauspiel. Inés Manai

Damit macht schon der erste Auftritt klar: Wu Tsang und ihrer Gruppe «Moved by Motion» geht es darum, verschiedene Facetten des Stoffes auf die Bühne zu bringen, um damit neue Sichtweisen freizulegen.

Schauspiel in Zeiten des Kulturkampfs

Neue Sichtweisen – die hat Wu Tsang in den letzten Jahren mit anderen bekannten Stücken wie «Moby Dick» oder «Pinocchio» bereits vorgeführt und dabei bemerkenswerte immersive Installationen geschaffen. Die US-amerikanische Performancekünstlerin und Filmemacherin war eine von acht Hausregisseurinnen und -regisseuren, die das Programm in Zürich geprägt haben.

«Carmen» war die letzte Premiere unter der Intendanz von Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg, die im Juni nach giftigen kulturpolitischen Debatten um Finanzen, Diversität und Wokeness frühzeitig endet.

Vieles haben sie angestossen, einiges erreicht, manches sind sie schuldig geblieben. So standen die unterschiedlichen Handschriften am Schauspielhaus bis zum Schluss weitgehend unverbunden nebeneinander und konnten keine über die einzelne Arbeit hinausgehende Kraft entwickeln.

Eine queer-feministische Kritik

Wu Tsangs letzte Arbeit in Zürich ist erstmal ein Versprechen: Eine Oper im Schauspielhaus. Eine spartenübergreifende Überschreibung des populären Stoffes. Eine queer-feministische Kritik an den traditionellen Lesarten.

Veranstaltungshinweis

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Wu Tsangs Inszenierung von «Carmen» ist noch bis zum 8. Juni 2024 am Schauspielhaus Zürich zu sehen.

Die Inszenierung folgt zwar den vier Akten von Bizets Oper, Wu Tsang hat sich aber von der Autorin Sophia Al-Maria eine Nebenhandlung schreiben lassen.

Pathetisch, aber eindrücklich

Eine junge Wissenschaftlerin an der Universität in Sevilla sucht nach einer Grabstätte aus der Zeit des Spanischen Bürgerkriegs und dabei von ihrer Professorin aus Angst vor politischen Konsequenzen fallen gelassen wird.

Sie macht sich eigenständig auf die Suche und findet am Schluss in der verschollenen Revolutionärin eine Wiedergängerin der von ihrem eifersüchtigen Liebhaber ermordeten Carmen.

Eine Frau in rotem Kleid liegt auf der Bühne. Unter und neben ihr zeigt sich ein roter Fleck.
Legende: «Carmen» wird Opfer eines Femizids. Inés Manai

Das kommt szenisch zwar etwas pathetisch daher, aber die Aussage ist klar: Die Geschichte wiederholt sich immer wieder, ist über Genres, Sprachen und Zeiten hinweg verbunden und gerade starke, unabhängige Frauen zahlen dabei einen hohen Preis und oft mit ihrem Leben.

Wie progressiv geht es in die Zukunft?

Leider bleibt die Inszenierung bei diesen konzeptuellen Andeutungen stehen und das Bühnengeschehen wirkt über weite Strecken seltsam statisch. Und so übernimmt dann doch immer wieder die Musik den Lead – obwohl die Inszenierung doch über die tradierte Darstellung der Oper hinausgehen wollte.

Bei der Premiere am Wochenende war auffällig, wie divers das Theaterpublikum in den letzten Jahren geworden ist. Wu Tsangs Arbeit und Ästhetik dürfte dabei mitverantwortlich sein, dass sich zunehmend auch queere und nicht-weisse Communitys vom Programm angesprochen fühlen. Diese weiterhin offensiv anzusprechen, wird eine der wichtigen Aufgaben in der Zukunft sein.

Abschlussfestival am Schauspielhaus Zürich

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In der ersten Juniwoche, zum Abschluss der Spielzeit, zeigen alle acht Hausregisseure und -regisseurinnen noch einmal eine Arbeit, bevor eine Videoinstallation Wu Tsangs zu sehen ist. Der Titel ist Programm: «The Show’s Over».

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Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 6.5.2024, 8:06 Uhr

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