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Eine Frau steht in einer Hotelhalle mit Europaflagge.
Legende: Eine Parabel auf Europa: Regisseur Tanovic packt sein Hotel vom Keller bis aufs Dach voll europäischer Geschichte. Margo Cinema & SCCA/pro.ba

Film & Serien Bissig und biestig: «Tod in Sarajevo»

Danis Tanović verblüffte schon 2013 an der Berlinale mit seinem Schrotthändler-Film «An Episode in the Life of an Iron Picker». Der aktuelle Beitrag des Bosniers ist eine Variation auf das Menschen-im-Hotel-Genre. Unterhaltsam und bitterböse: ein Rundumschlag, der häufig trifft und wenig auslässt.

Genau 100 Jahre nach dem Attentat von Sarajevo, jenem Anschlag, der als Auftakt für den 1. Weltkrieg gilt, wurde 2014 in der bosnischen Hauptstadt ein Theaterstück des Philosophen Bernard-Henri Lévy uraufgeführt: «Hotel Europa» heisst es. Und genau an diesem Tag spielt der Film «Smrt u Sarajevu» («Tod in Sarajevo») von Danis Tanović.

Der französische Schauspieler Jacques Weber («Der unsichtbare Aufstand») spielt sich selbst: als Hauptdarsteller des Theaterstücks. Der Star steht – aus Sicherheitsgründen – unter Beobachtung. Der Beamte im Monitorraum hat allerdings andere Probleme. Er ist so pleite wie das Hotel, in dem er arbeitet. Die Angestellten haben seit zwei Monaten keinen Lohn mehr erhalten. Sie wollen streiken.

Der Regisseur

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Legende: Wikimedia/Danis Tanovic

Danis Tanović (*1969) schloss ein Studium zum Bahningenieur ab, bevor es ihn an die Filmschule zog. Den Durchbruch als Filmemacher schaffte Tanović 2001 mit «No Man's Land»: Das Kriegsdrama wurde sowohl bei den Oscars als auch den Golden Globes als bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet.

Alle gegen alle

Es ist eine so unterhaltsame wie didaktische Variation auf das Menschen-im-Hotel-Genre, die Regisseur Danis Tanović hier mit aller Konsequenz durchzieht. Die Belegschaft ist mit ihrem Streik viel zu spät. Die Polizei versagt auf der ganzen Linie im Dienst der Macht. Und der Hoteldirektor entlädt seinen Frust an jener Angestellten, die am längsten loyal geblieben ist.

Es passiert noch einiges mehr, und etliche der Pointen und Episoden sind schon für sich genommen bitterböse. Man erkennt Europa und seine wechselvolle Geschichte wieder in diesem Film. Austerität und Bankenkrise, Koalitionsmanagement und Risikokaskaden: Alles ist da, zusammen mit der bitteren Erkenntnis einer Journalistin, dass es kein «wir» mehr gebe, bloss noch nationalistische Idioten und den Kampf aller gegen alle.

Bissig und biestig

«Tod in Sarajevo» ist ein böser Film, ein Rundumschlag, der häufig trifft und wenig auslässt. Manchmal ist das ein wenig anstrengend, manchmal bleibt einem das Lachen im Hals stecken. Und manchmal beschleicht einen das Gefühl, dass manche Dinge wohl tatsächlich komplizierter sind.

Aber insgesamt ist das ein anregender, smarter und streitlustiger Film. Und auf sehr seltsame, biestige Weise ein Komplementär zu Wes Andersons «The Grand Budapest Hotel», der vor zwei Jahren in Berlin zu sehen war.

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