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Ibrahim Gezer ist ein stiller, älterer Herr, grauhaarig und mit dem für ältere kurdische Männer typischen Schnurrbart. Meist trägt er einen grauen Pullunder über einem Hemd. Auffällig an Ibrahim Gezer sind seine Augen: Sie blicken traurig. Traurig ist auch die Lebensgeschichte des Mannes, der aus dem türkischen Kurdistan in die Schweiz fliehen musste, weil sich seine Kinder den kurdischen Rebellen angeschlossen hatten.
Honig für eine ganze Region
Das ist eine kurdische Lebensgeschichte, wie es sie leider nur allzu oft gibt. Der Filmemacher Mano Khalil – heute Schweizer, einst selber kurdischer Flüchtling aus Syrien – ist aber aus einem anderen Grund auf Ibrahim Gezers Geschichte gestossen: Gezer war in seiner Heimat, den kurdischen Bergen, Berufsimker.
Mit fast hundert Bienenvölkern produzierte er Honig für eine ganze Region. Wenn Mano Khalil von den Fähigkeiten Ibrahim Gezers als Imker erzählt, ist die Begeisterung des Filmemachers für dieses seltene Metier zu hören.
Diese Geschichte habe ihn zuerst interessiert: Ein Imker aus Kurdistan, der in der Schweiz auch Bienen züchten will. Und der dies aber nicht darf, weil die Imkerei hierzulande nicht als eigenständiger Beruf anerkannt ist. Die Behörden verweigern die Bewilligung für Gezer als Berufsimker – er muss in einer Fabrik arbeiten.
Die Kamera ist auch beim Schlafen dabei
Mano Khalils Film wirkt streckenweise wie eine Geschichte von Kafka. Denn die bürokratischen Verwirrungen nehmen noch zu, als sich Ibrahim Gezer mit 65 Jahren pensionieren lassen will. Endlich nämlich könnte er sich vollzeitlich der Imkerei widmen. Weil ihn aber sein Vater vor dem Militärdienst schützen wollte, hatte er ihn fünf Jahre jünger gemacht. Und so beginnt eine lange Reise durch die schweizerischen und türkischen Ämter, um Ibrahim Gezers Alter im Pass zu korrigieren und ihm seine Pension zu ermöglichen.
Mano Khalil erzählt die Geschichte des «Herrn Ibrahim Gezer», wie er ihn nennt, mit grossem Respekt vor dem traurigen älteren Herrn, aber auch mit grosser Nähe. Gezer habe ihm irgendwann so sehr vertraut, dass er sich beim Schlafen habe filmen lassen, erzählt Mano Khalil. Die Kamera ist immer dabei: Wenn Ibrahim Gezer ein Foto vom verschollen geglaubten Sohn erhält, wenn er traurige Nachrichten aus Kurdistan bekommt oder wenn sein Enkel, dem er alles über die Bienen beibringen will, seinen ersten Bienenstich erleiden muss.
Der Beruf als Heimat in der Fremde
Auch die ganze Filmcrew, so erzählt der Regisseur Mano Khalil mit einem Schmunzeln, habe während der Dreharbeiten natürlich unzählige Bienenstiche abbekommen.
Doch es hat sich gelohnt: Entstanden ist ein feinfühliges, sehr berührendes, aber nie rührseliges Porträt eines Flüchtlings, der sich mit der Imkerei in der Schweiz ein Stück Heimat schaffen will. Eine Thematik, die auch dem Regisseur nicht fremd ist. Für ihn, den Kurden aus Syrien, sei das Filmemachen das, was für Gezer die Imkerei sei.