Sabine Boss darf sich freuen. Über zehn Jahre nach ihrem Publikums-Hit «Ernstfall in Havanna» konnte die Filmemacherin dieses Mal nicht nur die Herzen der Zuschauer, sondern auch der Filmakademie, namentlich also ihrer Berufskollegen, erobern. In sieben Kategorien wurde der Film nominiert, vier davon dürfen Boss und ihre Crew nun auf ihr Konto verbuchen: Bester Spielfilm; bestes Drehbuch, geschrieben von Sabine Boss in Zusammenarbeit mit Pedro Lenz, Autor des gleichnamigen Mundartromans und Jasmine Hoch, Leiterin des Drehbuch-Studienlehrgangs in Zürich.
Kein Preis für die starke Filmpartnerin des Goalies
Ausserdem konnten Peter von Siebenthal und Richard Köchli die Akademie mit ihrer für den «Goalie» komponierten Musik überzeugen. Und allen voran Marcus Signer als Goalie selbst und damit bester Darsteller. Die weitere Entdeckung in diesem Film ist Signers Filmpartnerin Sonja Riesen. Auch sie war für einen Preis nominiert – wurde allerdings zugunsten von Ursina Lardi («Traumland») übergangen. Die Crux dabei: Riesen spielt als Barfrau und Beinahe-Goalie-Freundin Regula äusserst überzeugend die Rolle der einfühlsamen, aber durchwegs durchschnittlichen und normalen jungen Frau. Sie hätte die Auszeichnung in jedem Fall verdient.
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Bei Ursina Lardi hingegen, der nun gekürten besten Schauspielerin, war nicht einmal klar, ob sie nicht eher als Nebendarstellerin hätte nominiert werden sollen. Ein Manko des Ensemblefilms, der «Traumland» nunmal ist. Alle spielen mit – alle ein bisschen und die einzige Figur, die einem ans Herz wachsen könnte, bleibt blass. Sie hätte eh nicht nominiert werden können – denn Luna Zimić Mijović in der Rolle der Mia ist Bosnierin und damit nicht für den Schweizer Filmpreis zugelassen.
Die Westschweiz geht in den Hauptkategorien leer aus
Die einzige Überraschung bleibt also, dass die Westschweiz keinen grossen Erfolg für sich verbuchen konnte. Das sah in den letzten Jahren anders aus. Auch in der Kategorie «Bester Dokumentarfilm» geht die Auszeichnung in die Deutschschweiz: Es gewinnt verdientermassen das ästhetisch und formell stärkste filmische Werk unter den Nominierten: Peter Liechtis «Vaters Garten».
Liechti ist der grosse Meister des dokumentarischen Erzählens. In «Vaters Garten», vordergründig das Porträt seiner Eltern, gewährt der Film uns tiefe Einblicke in eine Generation und Zeit, die wir voreilig als vergangen einstufen. Die intime Auseinandersetzung mit der Verklemmtheit, Intoleranz, Sturheit und dem Unglück einer ganzen Generation erschreckt, hat aber auch Versöhnliches im Sinne einer Annäherung. Liechti hat diesen Schweizer Filmpreis längst verdient – Ein erfreulicher Entscheid der Akademie.