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Ausgerechnet in Italien feiert «Il bacio di Tosca» Wiederauferstehung. Das opernverrückte Land, das seinen Verdi verehrt wie einen Volkshelden, strafte den Film Daniel Schmids mit Nichtbeachten. Dabei ist dieser Film, ein Schweizer Werk zwar, durch und durch italienisch.
Daniel Schmid dokumentiert darin das Leben in der «Casa Verdi», einem Mailänder Altersheim für Musikerinnen und Musiker. Giuseppe Verdi persönlich hatte dieses Haus gegründet, seine Gebeine liegen in der Kapelle des Altersheims. Der wunderbare Film von Daniel Schmid zeigt die Bewohnerinnen und Bewohner des Altersheims, die mehr in der Vergangenheit als in der Gegenwart leben, die in den langen Gängen des grossen Hauses Szenen aus der Oper Rigoletto nachspielen und singen und die gerne ihre Fotos und Schallplatten zeigen.
Eine der schönsten Szenen des Films zeigt die fast 80-jährige Sara Scuderi, die im Pelzmantel hinter einem Plattenspieler sitzt. Es läuft eine Aufnahme der «Tosca» mit ihr selber in der Titelrolle. Und die alte Scuderi hört ihrem jüngeren Ich andächtig zu, singt ab und zu leise mit und gesteht am Ende, sie habe nun doch fast weinen müssen – das sei ja peinlich.
Internationaler Erfolg – nur in Italien nicht
Daniel Schmid, dieser wichtige und grosse Schweizer Regisseur (vielen mag vor allem sein Spätwerk «Beresina oder die letzten Tage der Schweiz» in Erinnerung sein), erlebt die Wiederaufführung seines Films in Venedig nicht: Er verstarb im Jahr 2006 an Krebs. Aber Marcel Höhn, Weggefährte, Freund und Produzent des Filmemachers, freut sich über die Einladung an das älteste Filmfestival der Welt. Und spricht von einer Genugtuung.
Als der Film 1984 in die Kinos kam, war er international ein grosser Erfolg. So gross, dass Dustin Hofmann letztes Jahr sogar eine Spielfilmversion davon mit dem Titel «Quartet» drehte. Aber ausgerechnet in Italien ging der Film total unter. Ein kleines Kino in Mailand zeigte den Film kurz. Und als der grosse Bernardo Bertolucci («Novecento», «The Last Emperor») in einer Zeitung eine Polemik veröffentlichte, kaufte das Fernsehen RAI zwar den Film, strahlte ihn aber zu unmöglicher Zeit aus: um 2:30 Uhr in der Nacht
Kameramann Renato Berta in der Jury
Marcel Höhn kann sich die Ignoranz der Italiener gegenüber dem Film nicht erklären. «Il bacio di Tosca» sei doch ein ganz und gar italienischer Film, sagt der Produzent. Es sei italienische Kultur, die der Film feiere, und die Italiener selber lieben ihre Oper, lieben ihren Verdi. Vielleicht, mutmasst Höhn, habe es daran gelegen, dass der Film eine Schweizer Produktion sei und man sich deshalb nicht dafür interessierte.
Fast 29 Jahre später findet der Film in Venedig doch noch seine Plattform. Und es ist für den Film «Il bacio di Tosca» eine ganz besondere Festivalausgabe. Nicht nur wird heuer die 70. Jubiläumsausgabe gefeiert. In der Jury des internationalen Wettbewerbs sitzt ausgerechnet Renato Berta, der Kameramann des Films, der auch bei der Restaurierung eine wesentliche Rolle spielte. Und Jurypräsident ist dieses Jahr Bernardo Bertolucci, der einzige italienische Filmschaffende, der schon damals dem Film zu italienischer Beachtung verhelfen wollte.
Zusammenarbeit mit der Cinémathèque Suisse
Dass der Film überhaupt restauriert werden konnte, ist der Cinémathèque Suisse zu verdanken. Nach einem Gespräch mit deren Leiter, Frédéric Maire beschloss Marcel Höhn, als ersten Film (von hoffentlich vielen anderen aus Daniel Schmids Werk) «Il bacio di Tosca» restaurieren zu lassen – seinen persönlichen Lieblingsfilm, wie der Produzent im Gespräch verrät.
Ob der Film in Italien nun eine richtige Renaissance erleben wird, weiss Marcel Höhn nicht. Wahrscheinlich, so mutmasst der Produzent, sitzt in der Aufführung am Filmfestival von Venedig ein bunt gemischtes internationales Publikum. Für das Schweizer Publikum ist eine DVD der restaurierten Fassung erschienen.