- Netflix ist am Filmfestival Cannes erstmals im Wettbewerb vertreten – gleich mit zwei Filmen.
- Cannes wollte Netflix dazu bringen, «The Meyerowitz Stories» und «Okja» nach dem Festival in französischen Kinos zu zeigen. Netflix lehnte ab.
- Ab 2018 sollen im Wettbewerb von Cannes nur noch Filme zugelassen werden, die sich zu einem Kinostart in Frankreich verpflichten.
Das grosse Wort «Meilenstein» machte die Runde, als vor gut einem Monat bekannt wurde: Der Streamingdienst Netflix wird 2017 erstmals überhaupt in der wichtigsten Sparte des bedeutendsten Filmfestivals der Welt vertreten sein – mit Bong Joon-hos Monsterfilm «Okja» und Noah Baumbachs Indie-Komödie «The Meyerowitz Stories».
Von Seiten der Vereinigung französischer Kinos (FNCF) gab es rasch Proteste; denn der US-Streamingdienst zeigte kein Interesse an einer Kinoauswertung seiner Filme.
«Reine Symbolpolitik»
Ein Vermittlungsversuch des Festivals ist seit heute vom Tisch. Cannes wollte Netflix dazu bringen, «The Meyerowitz Stories» und «Okja» wenigstens für begrenzte Zeit in französischen Kinos zu zeigen – und die beiden Filme nach dem Festival nicht nur den eigenen Nutzern online anzubieten.
«Das ist reine Symbolpolitik», sagt SRF-Filmredaktor Michael Sennhauser mit Blick auf den heute gefällten Entscheid des Festivals: Ab 2018 erhalten Filme nur dann die Zulassung zum Rennen um die Goldene Palme, wenn sie sich zu einem Kinostart in Frankreich verpflichten.
Sinn mache das wenig. Denn auch Nicht-Netflix-Filme, die in Cannes im Wettbewerb laufen, finden nicht immer den Weg in die französischen Kinos, sagt Michael Sennhauser – und verweist auf Locarno: Gegen 90 Prozent aller Filme, die sich am grössten Schweizer Filmfestival um den Goldenen Leoparden balgen, sind danach nie in normalen Kinos zu sehen. Festival: Das ist immer Kino abseits des Alltags.
Potente Produzenten
Der Cannes-Entscheid, Filme von Streaminganbietern in den Wettbewerb aufzunehmen, sei indes richtig und wichtig, findet Michael Sennhauser.
Netflix und Mitstreiter Amazon sind derzeit die finanzstärksten Produzenten auf dem Markt. Und sie produzieren längst Filme, die sich visuell in keiner Weise von traditionellen Kinoproduktionen unterscheiden, sagt der SRF.Filmexperte.
«Schon einer TV-Serie wie ‹Breaking Bad› hätte man im Kino nicht angesehen, dass sie nicht für die grosse Leinwand gedreht wurde.»
Altes Denken, neue Welt
Ein obligatorischer Filmstart in Frankreich für alle Wettbewerbsfilme: Die Regelung werde nicht zu halten sein, glaubt Sennhauser, der alte Reflexe als Ursache für den Streit zwischen Netflix und Cannes ausmacht.
Die Marke Netflix steht für die Globalisierung – die Kinowelt, in der noch immer nationale Verleiher die Rechte für Filme kaufen, denkt bis heute in den Kategorien staatlicher Territorien. «Die Verleiher haben Angst, von der Bildfläche zu verschwinden», meint Sennhauser.
Kommt hinzu: Cannes ist ein staatliches Monument. Da sei protektionistisches Denken nie weit, sagt Sennhauser. Und hinter Cannes steht der französische Kabelanbieter Canal plus – ein Konkurrent von Netflix.
Fest steht erst mal: Die zwei Netflix-Filme feiern ihre Premiere in Cannes. «Okja» ist im Anschluss ab dem 28. Juni auf Netflix verfügbar. Wann genau «The Meyerowitz Stories» dort gestreamt wird, steht noch in den Sternen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 10.05.2017, 17:30 Uhr