«Menschen, die andere Menschen in einen Schrank sperren, die sind nicht normal!», erklärt Mimi (Katharina Schüttler) ihrem Sohn Felix. «Warum machst Du sowas?» – «Vielleicht, weil ich ADHS habe?», fragt der süsse Kleine zurück.
Ein Aufmerksamkeitsdefizit kombiniert mit einer Hyperaktivitätsstörung, das haben andere auch. Ist Mimis Sohn Felix nicht normal, bloss weil er ADHS hat? Dass er seine Lehrerin in den Schrank gesperrt hat, ist in seiner Klasse ja ganz gut angekommen.
Alle Drogen ausprobiert
Die Schulleitung hat trotzdem wieder einmal Felix' Mutter Mimi aufgeboten. Die muss ihren Job im Elektromarkt kündigen, weil der Filialleiter sie für den Schulbesuch nicht freistellen will.
Die Schulleiterin hat eine eigene Vorstellung, was mit dem kleinen Felix zu tun wäre. Ritalin brauche der Junge, meint sie. Aber von Psychopharmaka hält Mimi gar nichts, auch wenn ihr Sohn behauptet, seine Mama hätte früher alle Drogen ausprobiert, die es überhaupt gebe.
Eigentlich liebenswürdig
Mutter Mimi ist familiär vorbelastet. Ihre von Hannelore Elsner gespielte Mutter, einst für kurze Zeit eine gefeierte Schlagersängerin, ist seit vielen Jahren schwer depressiv. Ihr Vater Walter, gespielt von Peter Simonischek, ist manisch-depressiv – mit aktueller Betonung auf manisch.
Eben hat er sich selber aus der Psychiatrie ausgecheckt, seinem Enkel die X-Box geklaut und das Geld auf der Pferderennbahn verzockt. Dabei wäre der Alte eigentlich durchaus liebenswürdig.
Familie geht vor
Mimi ist der Dreh- und Angelpunkt der Familie Wunderlich, die einzige Vernünftige, diejenige, die immer alle wieder aus dem Chaos holt, in das sie sich geritten haben. Dafür hat sie ihre eigene Karriere als Singer-Songwriter begraben. Was wiederum Söhnchen Felix auf die Idee gebracht hat, seine Mama heimlich für eine Casting-Show in Zürich anzumelden.
Filmisches Gewurstel
Die Komödie von Dani Levy dreht sich mit viel manischer Energie um diese Wunderlichs, eine multipel dysfunktionale Familie. Dabei entstehen etliche urkomische und zwei, drei sehr berührende Szenen, auch wenn Levy formal eher das Chaos der Wunderlichs imitiert und die hilflose Dramaturgie sich schliesslich in eine stotternde Roadmovie-Struktur flüchtet.
Katharina Schüttler hält als Mimi Wunderlich die Familie zusammen. Das Gleiche tut sie als Schauspielerin mit dem filmischen Gewurstel, das Regisseur Levy veranstaltet.
Höhepunkt und Tiefpunkt
Wenn sich am Ende der Familienodyssee alle Wunderlichs bei der Casting-Show in Zürich treffen, väterlich in Empfang genommen von Mike Müller in der Rolle des Produzenten der Show, dann ist das der Höhepunkt des Films und der Tiefpunkt des Drehbuchs, ein effektvolles Finale für eine Geschichte, die aus lauter einzelnen Figuren und ihren geschredderten Familienbezügen besteht.
Das hat eine chaotische, liebenswerte Ehrlichkeit. Ein bisschen wie diese Verwandten, die man eigentlich mag, aber nicht mehr als einmal im Jahr aushalten kann.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 20.10.2016, 16:50 Uhr.