SRF: Welche Lektion erteilt Ihnen das Leben gerade?
Claude Barras: Gute Arbeit entsteht, wo Vertrauen ist. Ich war mit «Ma vie de Courgette» an der Oscarverleihung, danach in der Mongolei, in Peking, in Tokio. Zuhause angekommen, habe ich gemerkt, wie wichtig es ist, in einem Team zu arbeiten, das enthusiastisch ist und gemeinsam daran glaubt, dass gute Filme auch mit einem kleinen Budget entstehen können.
Wer oder was bewog Sie dazu, «Ma vie de Courgette» zu drehen?
Mit meinem Kollegen Cédric Louis habe ich bereits Filme gemacht, die die Kindheit thematisieren. Im Kurzfilm «Banquise» erzählen wir die Geschichte eines übergewichtigen Mädchens, das Schwierigkeiten hat, weil sie ausgelacht wird.
Die Kindheit ist eine intensive Zeit, die starke Emotionen hervorbringt. Als Cédric dann den Roman «Autobiographie d'une Courgette» von Gilles Paris gelesen hat, war die Idee für den Film nicht weit.
Gute Arbeit entsteht, wo Vertrauen ist.
Was von Ihnen selber findet man im Film?
Viele eigene Erfahrungen. Auch in meiner Klasse gab’s Kinder, die ständig gehänselt wurden. Erst später wurde mir klar, dass das nicht schön war. In «Ma vie de Courgette» findet man das in der Rolle von Simon, der anfangs sehr aggressiv mit den anderen umgeht, um von seinen eigenen Problemen abzulenken. Später hilft er ihnen aber.
Was war das grösste Risiko, das Sie bei diesem Projekt eingegangen sind?
Den Film mit dem vorgegeben Budget fertigzustellen, ohne dass er an Qualität einbüsst. Dafür muss man mit jeder einzelnen Person eng zusammenarbeiten, damit sie versteht, in welcher Geschwindigkeit sie arbeiten sollte. Von da aus konnten wir dann in die Details gehen.
Was war die schwierigste Entscheidung, die Sie bei diesem Film treffen mussten?
Nach Drehschluss haben wir es nicht geschafft, den Film in der vorgegebenen Zeit zu vollenden. Mit den Produzenten konnten wir dann doch noch mehr Geld zusammenbringen, mussten aber den Film kürzen. Das fiel mir schwer, stellte sich aber als kreativ und nicht schädlich für den Film heraus.
Ist während der Dreharbeiten etwas passiert, mit dem Sie nicht gerechnet hätten?
Wir hatten sehr viele Überraschungen. Es arbeiteten zum Teil 40 Leute gleichzeitig an 15 Stop-Motion-Arbeitsplätzen. Wir hatten eine begrenzte Anzahl an Marionetten, mussten mehrmals deren Kleider wechseln, die Kulisse vorbereiten... ein Chaos! Die Wichtigkeit der Koordination haben wir unterschätzt. Eine Person ist während dem Dreh hinzugekommen, um diese Planung zu verbessern. Danach hat es funktioniert.
Was bedeutet Ihnen der Schweizer Filmpreis?
Der Preis gehört für mich mit den Césars zu den wichtigsten, da wir den Film hier in der Schweiz und in Frankreich gemacht haben, wo ich weiterhin arbeiten will. Und hier kenne ich die Filmbranche, darum ist es eine besondere Ehre.
Es arbeiteten zum Teil 40 Leute gleichzeitig an 15 Stop-Motion-Arbeitsplätzen.
Wie werden Sie in Genf feiern, wenn sie den Preis nach Hause nehmen dürfen?
Ich werde natürlich trinken und die Gelegenheit nutzen Leute zu treffen, die ich sonst nicht viel sehe. Und da es in Genf ist, wo ich wohne, wird’s ein grosses Fest!
Was werden Sie bei Ihrem nächsten Film sicherlich anders machen?
Ganz klar: mehr Zeit in die Vorbereitung stecken (lacht). Wir sind zwar ans Ziel gekommen, aber ich hätte gerne das nächste Mal weniger Schwierigkeiten.
Das Gespräch führte Ana Matijašević.