Anfangs scheint alles noch so unbeschwert, wie wir uns das Leben in einem irdischen Paradies vorstellen: Die Kinder auf der Südseeinsel Tanna gehen fröhlich ihren Spielen nach, die Frauen waschen am Bach ihre spärliche Kleidung, die Männer streifen auf Jagd durch den Urwald.
Und die junge Wawa hat ein heimliches Rendezvous mit Dain, dem Enkel des Häuptlings. Die beiden Liebenden ahnen noch nichts von dem grausamen Schicksal, das sie erwartet.
Drama mit weitreichenden Folgen
«Tanna» heisst das Dschungel-Drama, in dem die Regisseure Martin Butler und Bentley Dean Fiktion und Dokumentation auf zweifelhafte Art zusammenbringt. Wenn australische Filmemacher die Geschichte eines indigenen Volkes erzählen, ist auf jeden Fall Vorsicht geboten.
Eine Texttafel weist darauf hin, dass es die tragische Liebe zwischen Wawa und Dain in ähnlicher Form tatsächlich gegeben hat, mit weitreichenden Folgen für das Stammesleben auf der Insel.
Frauentausch
Denn der Alltag auf Tanna ist keineswegs so beschaulich, wie wir zunächst annehmen: Wawas übermütige Schwester provoziert einen Zwischenfall mit einem verfeindeten Stamm, eine uralte Fehde droht wieder auszubrechen.
Da Menschenleben auf dem Spiel stehen, treffen sich die beiden Stämme zu einer Aussprache und beschliessen nach altem Brauch, Frauen auszutauschen. Ausgerechnet Wawa wird einem der feindlichen Krieger versprochen.
Die arrangierte Heirat sei unabdingbar für das Überleben der Stämme, wird Wawa eingeschärft. Die will davon nichts wissen und brennt mit Dain durch. Sie bricht mit der Tradition, welche die Eingeborenen selbst «custom» nennen – das ist Englisch und bedeutet Brauch. Es ist ein verräterisches Wort, das den vermeintlichen Naturzustand der Eingeborenen infrage stellt.
Wie eine exotische Urlaubsreise
Entwickelt wurde der Film vor Ort, gemeinsam mit lokalen Laienschauspielern, um grösstmögliche Authentizität zu erreichen. Allerdings ist Tanna touristisch längst erschlossen, und die beiden australischen Filmemacher inszenieren die mündlich überlieferten Ereignisse als exotisches Trauerspiel im Stil von «Romeo und Julia».
Die verbotene Leidenschaft lodert, der Vulkan spuckt Feuer, die Archaik der Landschaft überträgt sich mit den Mitteln des Dokumentarfilms auf das Drama. Das ist zugegebenermassen fantastisch anzuschauen. Aber letztlich verhält es sich mit «Tanna» wie mit jeder Urlaubsreise: In Erinnerung bleiben die Bilder, die man ohnehin schon zu kennen glaubte.
Kinostart: 15.12.2016
Sendung: SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 14.12.2016, 17:06 Uhr.