Wes Anderson dreht nicht einfach Filme, er schafft Universen. Das Kino ist für den 45-jährigen Regisseur ein wunderbarer Spielplatz, voll phantastischer Möglichkeiten. Und im Eröffnungsfilm der diesjährigen Berlinale «The Grand Budapest Hotel» hat Anderson wieder einmal nach Herzenslust gespielt, gebastelt, schwadroniert, gemalt, und – ganz wunderbar – erzählt.
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Ein «Zweig-Anderson-Film»
Fürs Erzählen hat er sich an einen gehalten, der weiss, wie’s geht: Der Film nährt sich aus den Schriften Stefan Zweigs. Den österreichischen Schriftsteller kenne in den USA kaum jemand, erzählt Anderson an der Pressekonferenz.
Er habe sich in die Texte und die Erzählweise Zweigs verliebt und unbedingt einen «Zweig-Film» machen wollen. Der Film ist aber natürlich genauso ein «Anderson-Film». Er handelt von einem Schriftsteller, der in einem langsam verfallenden Grandhotel von dessen Besitzer eine kuriose Kriminalgeschichte rund ums Hotel erzählt bekommt, die am Vorabend des Krieges spielt.
Nachcolorierte Kriminalgeschichte
Anderson setzt das Grandhotel Budapest in eine märchenhafte osteuropäische Berglandschaft, die ebenso bunt nachcoloriert ist, wie alte Postkarten aus den 20er-Jahren. Dort waltet der stolze, sehr kultivierte und sehr parfümierte Monsieur Gustave seines gediegenen Amtes als Chefconcierge. Er schaut auf das Wohl seiner Gäste, besonders auf dasjenige seiner älteren, weiblichen und meist blonden. Dies auch hinter verschlossenen Türen und unter Hotelbettdecken. Als Madame D., eine seiner alten Stammkundinnen, ermordet wird, wird Monsieur Gustave verdächtigt.
Zusammen mit seinem Lobbyboy Zero will sich Gustave einerseits reinwaschen und andererseits den Fall klären – und gerät an die gar nicht so freundlichen Kinder und Erben der Ermordeten. Die Geschichte wird kompliziert, weil zeitgleich die Faschisten immer stärker werden und ein Krieg droht (statt SS-Männer sind im Film ZZ-Männer unterwegs, die Bewegung heisst «Zic-Zac»).
Abstrus in Szene gesetzt
Monsieur Gustave, als Concierge immer der vollendeten Umgangsform verpflichtet, sucht in der verrohenden Zeit immer nach dem Zivilisierten in der Welt, weil er meint, das allein könne die Menschheit noch retten. Das alles ist abstrus in Szene gesetzt, unwirkliche Bilder sind bevölkert mit skurrilen Figuren. Das entwickelt einen Sog, dem man sich spätestens nach zehn Minuten nicht mehr entziehen kann.
Am Anfang überlegt man noch, ob man «The Grand Budapest Hotel» nun als Satire, als Komödie, als Tragödie, oder als verklausuliertes Historiendrama sehen soll. Irgendwann aber gibt man auf und sich einfach nur diesem wunderbar verspielten Film hin.
Grosses Staraufgebot für kleine Rollen
Die Hauptrolle spielt Ralph Fiennes als Hotelconcierge Monsieur Gustave In unzähligen anderen, zum Teil sehr kleinen Rollen, ist eine glänzende Besetzungsliste zu sehen: Willem Dafoe, Adrien Brody, Harvey Keitel, Edward Norton, Bill Murray, F. Murray Abraham, Jason Schwartzman, Tilda Swinton, Owen Wilson, Jeff Goldblum und Mathieu Amalric. Die zweite Hauptfigur, Lobbyboy Zero, wird von Tony Revolvori verkörpert, eine wunderbare Neuentdeckung.
Etwa die Hälfte der Schauspiel-Riege schritt bei der Eröffnung in Berlin über den roten Teppich. Aber nicht nur wegen dieses grossen Staraufgebots war «The Grand Budapest» ein ebenso vergnüglicher wie ideal gewählter Eröffnungsfilm.
Heimspiel für Anderson
Er wurde fast komplett in der ostdeutschen Stadt Görlitz gedreht, die Studioaufnahmen entstanden in Babelsberg bei Berlin und in einigen Nebenrollen sind auch deutsche Schauspieler zu entdecken. Die Premiere in Berlin war also sozusagen ein Heimspiel für Wes Anderson.
«The Grand Budapest Hotel» ist ein Film der das Kino feiert. Er macht, wie ein wunderbares Amuse-Bouche, Appetit auf das Berlinale-Menu, das noch kommt. Für Schweizerinnen und Schweizer hielt diese Berlinale-Eröffnung einen besonderen Witz bereit: Andersons Film, und damit die 64. Berlinale, begann nämlich mit einem «Zäuerli», einem waschechten Schweizer Jodel.