Der Zeitplan ist ziemlich sportlich, gibt Guido Vergauwen, Rektor der Universität Freiburg, zu. Noch immer ist unklar, welche akademischen Abschlüsse angeboten werden. Auch möchte man noch mehr islamische Organisationen ins Boot holen. Doch auch wenn noch vieles ungewiss ist, für Vergauwen steht fest: Schon im Herbst sollen im Schweizer Zentrum für Islam und Gesellschaft erste Veranstaltungen angeboten werden.
Keine Imam-Ausbildung
Im Gespräch sind islamische Ausbildungen an Universitäten sowie Diskussionen rund um die Einbindung muslimischer Gemeinschaften in akademische Studien schon lange. Bereits vor einigen Jahren wurde eine Arbeitsgruppe gegründet mit dem Ziel, Bedürfnisse und Möglichkeiten eines Islam-Studiums an einer Schweizer Universität abzustecken. Lange war davon die Rede, dass ein ganzer Imam-Ausbildungs-Lehrgang etabliert werden soll. Nun ist klar: So weit gehen die aktuellen Pläne nicht.
Ein ganzes Theologie-Studium würde die Kapazitäten der Universitäten momentan noch sprengen. Was Universitäten allerdings bieten können, das sind Reflexionen über die eigene oder fremde Religionen. Davon ist die Arbeitsgruppe überzeugt. Das Schweizer Zentrum für Islam und Gesellschaft soll den Raum dafür bieten: Muslime könnten hier nicht nur Forschungsobjekt sein, also nicht nur von aussen betrachtet werden. Sie sollen vielmehr zu Forschungssubjekten werden, sich also selber beteiligen.
Islamische Antworten auf Schweizer Fragen
Der Fokus liegt dabei auf den Beziehungen zwischen dem Islam und der heutigen Gesellschaft. Auf soziale und ethische Fragen sollen Muslime Antworten aus islamischer Perspektive finden, die in die Schweizer Gesellschaft passen.
Mit dem Zentrum möchte man den Fokus daher speziell auf islamische Betreuungspersonen richten: Imame sollen sich weiterbilden und ihre Lehren an Schweizer Rahmenbedingungen anpassen können. Das Zentrum sieht sich aber auch verpflichtet, als Begegnungsort zu wirken. Nicht-Muslime und Muslime können sich hier zum interreligiösen Dialog treffen, wie Rektor Vergauwen beschreibt.
Muslime sind zufrieden
Auch hofft Vergauwen, dass das Zentrum zur Integration von Muslimen beitragen wird. Denn bis jetzt seien sie gesellschaftlich häufig isoliert. Mehrheitlich freuen sich die Muslime im Land über «ihr» neues Zentrum: Es sei eine Chance für junge Gläubige, sich endlich auch akademisch mit ihrer Religion auseinandersetzen zu können, meint Sakib Halilovic, Imam aus Schlieren ZH.
Die islamische Theologin und Religionspädagogin Yasemin Duran glaubt, dass auch die Schweizer Bevölkerung vom Zentrum für Islam und Gesellschaft profitieren kann. Denn auf viele gesellschaftliche Probleme habe der Islam gute Antworten, die nicht nur für Muslime hilfreich sein können. Doch es gibt auch kritische Stimmen unter den Muslimen: So befürchten einige, dass der Pluralität innerhalb der islamischen Gemeinschaft nicht genug Rechnung getragen würde.
Angst vor Islamisierung
Kritik gab es im Vorhinein auch von Seiten der Politik. Vertreter der SVP, CVP und FDP forderten die Kantonsregierung dazu auf, das Projekt zu überprüfen. Denn es werden nicht nur hohe Kosten gefürchtet. Auch bestehen Ängste vor einer Islamisierung der Universität. Rektor Vergauwen will diese Einwände aber nicht gelten lassen: Die Kosten seien minim und die Einbindung in die Universität diene gerade der Integration in Schweizer Verhältnisse. Von einer Islamisierung könne so keine Rede sein.
Auch Imam Sakib Halilovic findet die Argumente von Seiten der Politik paradox: Gerade bürgerliche Politiker forderten oft eine bessere Integration, wünschten keine versteckten Moscheen. Ein Schritt hin zur Öffentlichkeit sollte die Politik deswegen akzeptieren.
Fruchtbare Zusammenarbeit
Rektor Guido Vergauwen ist von der Bedeutung des Schweizer Zentrums für Islam und Gesellschaft überzeugt. Bis jetzt sei die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren sehr fruchtbar gewesen, und man habe schon viel voneinander gelernt. Es gelte wohl auch hier: «Der Weg ist das Ziel.»