Das gilt es zu beachten, um den Regeln des schlechten Journalismus gerecht zu werden:
- Es gibt ein schönes deutsches Wort, Schadenfreude, das Vergnügen am Unglück anderer. Dieses Gefühl ist es, das eine Zeitung respektieren und nähren muss.
- Von Gerüchten zu sprechen ist immer sehr gut, am besten mit ein paar pikanten Details.
- Begnügen wir uns damit, allgemeine Verdächtigungen zu verbreiten. Nach dem Muster: Da fischt jemand im Trüben, und auch wenn wir noch nicht wissen, wer es ist, machen wir ihm Angst.
- Dossiers sind wichtig, um über bestimmte Personen alle Indiskretionen zu versammeln, die man für verschiedene Artikel gebrauchen kann. Solche Dossiers ersparen einem, in letzter Minute Recherchen machen zu müssen.
- Der Mann ist ein Dandy oder ein Blumenkind, wie man früher sagte. Leicht vorstellbar, dass er auch kifft. Aber das schreiben wir nicht, darauf sollen die Leser von selber kommen. Arbeiten Sie mit diesen Elementen, zeichnen Sie ein Porträt voll dunkler Andeutungen, und der Mann ist kaltgestellt, wie sich's gehört. Aus einer Nicht-Nachricht haben wir eine Nachricht gemacht. Und ohne zu lügen.
- Wir müssen die Sprache der normalen Leser sprechen, nicht die der Intellektuellen, die uns immer sagen wollen, wo's langgeht.
- Es ist nicht gesagt, dass Chefredakteure von Zeitungen auch schreiben können. Es ist nicht gesagt, dass Verteidigungsminister wissen, wie man eine Handgranate wirft.
- Nicht die Nachrichten machen die Zeitung, sondern die Zeitung macht die Nachrichten. Und vier verschiedene Nachrichten in der richtigen Weise zusammenzustellen heisst, dem Leser eine fünfte zu suggerieren.
- Ein Fakt allein sagt gar nichts, alle zusammen lassen dich begreifen, was auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist. Man muss besonders auf das achten, was einem die anderen verbergen wollen.
- Eine Insinuation ist wirksam, wenn sie mit Fakten operiert, die an sich keinen Wert haben, aber unbestreitbar wahr sind.
Diese zehn Leitsätze stammen vom italienischen Schriftsteller, Philosoph und Medienwissenschaftler Umberto Eco. Sie sind nur eine Auswahl von spitzen Bemerkungen, mit denen Eco die Medien in seinem neuen Buch «Nullnummer» mit einem Lächeln auf den Stockzähnen auf die Schippe nimmt.
Unschwer erkennbare Anspielungen
Das Buch ist in Mailand in den 1990er-Jahren angesiedelt, als die politische Elite Italiens wegen Korruption und Amtsmissbrauch in die Schlagzeilen geriet. In dieser Zeit will ein Unternehmer und Medien-Tycoon eine neue Zeitung lancieren. Ein Blatt, das schmutzige Geschichten über Leute aus der guten Gesellschaft verbreitet.
Auch wenn Eco seine Geschichte in Italien spielen lässt und sich unschwer erkennen lässt, dass mit dem Medien-Tycoon der spätere Ministerpräsident Silvio Berlusconi gemeint ist – die Mechanismen des Skandaljournalismus, die Eco beschreibt, sind global gültig.