Die ältesten Aufnahmen, die es im Radioarchiv noch gibt, stammen aus dem sogenannten Monstre-Trommel-Konzert von 1945. Auf ihnen hört man eine Schnitzelbankformation namens «Perversarelin».
Die Verse handeln vom allgemeinen Mangel des letzten Kriegsjahres: «Mir hän zue vyyl Pfannen und kai Gas.» Sie sind teilweise auch radikale Abrechnungen mit den geschlagenen Nazigrössen.
Ganz besonders eindrücklich ist ein Vers, in dem Hitlers baldiges Ende angekündigt wird.
Der Aufbruch in den 50er-Jahren
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Auffällig ist, dass diese frühen Verse oft lang und selten lustig sind. Das liegt an uns und unserem veränderten Bewusstsein dafür, was lustig ist. Ein heutiger Schnitzelbangg braucht Schluss- und Zwischenpointen, verrückte Verbindungen von Themen und witzige Reime, um als lustig eingestuft zu werden. Damals reichte es, über eine stadtbekannte Person ein Spottlied zu singen.
Aber die Zeiten ändern sich. Und mit ihnen auch die Fasnacht. Eine neue und junge Generation übernimmt das Ruder des Schnitzelbangg-Wesens nach dem Krieg. Die Generation des Aufbruchs.
Führend damals sind «d’Staubsuuger». Ihre Verse sind zwar immer noch recht lang, aber sie sind dicht. Und sie sind lustig. Zum Beispiel der aus dem Jahr 1956 über den Verzicht des Landkantons auf der Tour de France.
Die wilden 60er-Jahre
Der ganz grosse Sprung vorwärts in der Entwicklung des Balser Schnitzelbanggs ereignet sich Mitte der 60er-Jahre. Da taucht ein Bänggler auf, «d Standpauke», ein Solokünstler, ehemaliges Mitglied der «Staubsuuger» und verkürzt die Verse auf nur noch vier Zeilen mit je acht bis neun Silben. Diese Kürze und Prägnanz steigert die Pointendichte enorm. Damit auch die Qualität und die Anforderung an den Dichter.
Im folgenden Vers gelingt es «dr Standpauke», eine Zote über einen Filmstar mit den Demonstrationsformen der Achtundsechziger zu verbinden. Dafür und für alles, was da sonst noch mitschwingt, braucht er vier Zeilen.
Die sexuelle Revolution
Gleichzeitig taucht ein weiterer Solokünstler auf, «s Stachelbeeri», das genauso kurze Verse singt und dieselbe Qualität an den Tag legt. Allerdings mit einer ganz anderen Technik. Während «d Standpauke» der wortgewandte Beobachter einer Sache ist, der immerhin genug Distanz zu ihr hat, ist «s Stachelbeeri» der spontan reagierende Betroffene.
So auch im Vers, in dem er Esther Villars emanzipationskritisches Buch sozusagen vom Ehebett aus kommentiert. Die beiden Arten von Humor sind Schulen innerhalb des Basler Schnitzelbangwesens geworden und existieren bis heute nebeneinander weiter.
Die 70er-Jahre: Klerus und Sex
Mit «dr Standpauke» und «em Stachelbeeri» beginnt die ganz grosse Zeit des Basler Schnitzelbanggwesens: die 70er-Jahre. Gleich zehn Formationen erreichten jetzt ein Niveau, das in anderen Jahrzehnten eine oder zwei Gruppen erreichen.
Ungeschlagen ist ein Vers aus dem Jahr 1976. Darin kommentiert «s Zytigs-Anni» den neusten päpstlichen Erlass zur Sexualmoral: Jede Zwischenpointe hier ist besser als manche Schlusspointe in anderen Zeiten.
Diese Qualität ist kein Zufall. Die Zeiten sind politisch. Die Leute wach. Die Art, wie sie sich ausdrücken, ist neu und frech. Nicht nur an der Fasnacht. Aber auch. «D Kuttlebutzer» zum Beispiel rund um den Künstler Jean Tinguely. Sie prägen und inspirieren mit ihren neuartigen Kostümen und Larven, mit ihrem exquisiten Pfeifen und Trommeln und vor allem mit ihrer zutiefst fasnachts-anarchistischen Haltung ganze Generationen von Fasnächtlern.
Die Talsohle in den 80er-Jahren
1980 bricht das alles zusammen. Mehrere grosse Bänggler-Formationen und Einzelkünstler aus den 70er-Jahren hören auf. Eine Lücke entsteht, die von den wenigen, die noch übrig bleiben oder neu dazu kommen, kaum ausgefüllt werden kann.
Erst Ende der 90er-Jahre taucht eine neue Generation auf, die bis heute die tonangebende ist. Ihr gelingt eine breite Spitze von sechs, sieben erstklassigen Formationen und gleichzeitig eine Rückbesinnung auf die eigentliche Qualität des Schnitzelbanggs: wenig aussprechen, viel aussagen.
Der Schnitzelbangg heute
Zum Beispiel «dr Singvogel». Zur neuerlichen Diskussion über eine mögliche Kantonsfusion singt er 2013 kurz und äusserst knapp. Die Abstimmung ist unterdessen vorbei. Die Fusion ist vom Tisch. Aber der Vers bleibt. Als historisches Dokument und als satirischer Kommentar zum Zeitgeschehen wie so viele andere auch.