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«Bubbles of Happiness» im Zürcher Niederdorf: In diesem Waschsalon menschelt es
Aus Perspektiven vom 15.06.2024. Bild: SRF / Mirella Candreia
abspielen. Laufzeit 27 Minuten 54 Sekunden.

«Bubbles of Happiness» Mehr als nur saubere Wäsche: ein Waschsalon mit sozialer Ader

Während die Wäsche in den Maschinen ihre Runden dreht, wird der Waschsalon «Bubbles of Happiness» zum Begegnungsort. Hier treffen sich Touristinnen, Bewohner des Zürcher Niederdorfs und Menschen in prekären Lebenssituationen. Sie tauschen sich aus, trinken Kaffee – und waschen Wäsche.

Der Waschsalon «Bubbles of Happiness» im Zürcher Niederdorf wirkt einladend: Die hellen Wände sind mit Neonschriften verziert, alles ist modern und «clean».

Gegründet wurde der Waschsalon von der Stiftung der Evangelischen Gesellschaft des Kantons Zürichs. Hier können Menschen in verschiedensten Lebenslagen günstig Wäsche waschen. Die Stiftung hat verschiedene Orte geschaffen, die sich an Menschen in schwierigen Lebenssituationen richten. «Dafür gibt es in der Schweiz ein gutes Netzwerk. Aber Möglichkeiten, Kleidung zu waschen, gab es relativ wenige», erklärt der Geschäftsführer der Stiftung Michael Wilke.

Menschen in einer Wäscherei im Gespräch am Tresen.
Legende: Hell und freundlich: Der Waschsalon «Bubbles of Happiness» im Zürcher Niederdorf ist ansprechend gestaltet. Doch dahinter steckt mehr als nur ein weiterer hipper Grossstadt-Laden. SRF / Mirella Candreia

Der Waschsalon sei aus diesem Gedanken heraus entstanden – zunächst ohne wirkliches Konzept. Im Gespräch mit den Kundinnen und Kunden wurde dann klar, dass nicht nur Wäschewaschen ein Bedürfnis ist.

Deshalb wurde die Personaldusche für alle geöffnet. Die Dusche kann für eine halbe Stunde benutzt werden. «Menschen, die auf der Strasse leben, haben selten die Möglichkeit, Privatheit zu erleben», sagt Michael Wilke. Im Waschsalon könne man sich Zeit nehmen für die eigene Körperpflege.

Es gibt auch einen Raum mit grossen Schliessfächern. Hier können Menschen ohne Zuhause ihr Hab und Gut einschliessen, damit sie nicht immer alles mittragen müssten. Viele lagern hier auch Gegenstände, die einen emotionalen Wert haben, etwa Fotos.

«Viele Menschen haben Angst, dass ihnen etwas gestohlen wird, dass sie es verlieren oder dass es nass wird», sagt der Projektleiter.

Mit Solidarität gewaschen

Wilke betont, dass sie sich nicht als Sozial- oder Hilfswerk sehen. «Wir verstehen uns als Dienstleistung». Deshalb bezahlen auch alle für die Leistungen, die sie beziehen: «Wir möchten die Menschen auf Augenhöhe als Kundin und Kunde behandeln». Für die Menschen, die kein Geld zur Verfügung haben, gibt es ein Jeton-System.

Sozialer Waschsalon – So funktioniert’s

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Legende: SRF / Mirella Candreia

Im Waschsalon «Bubbles of Happiness» bezahlt man für einmaliges Waschen und Trocknen 5 CHF. Eine Duschmöglichkeit wird für 1 CHF angeboten. Ein Friseurbesuch kostet 5 CHF ebenso wie die Gepäckaufbewahrung für einen Monat.

Für alle, die einen Fünflieber oder Einfränkler spenden können, besteht die Möglichkeit, bedürftigen Personen unkompliziert einen Wasch- oder Duschgutschein in Form eines Jetons zu spenden.

Personen ohne finanzielle Mittel können sich an bestimmte Anlaufstellen wenden, um die kostenfreien Jetons zu erhalten.

Während der Wäsche kann man einen Kaffee trinken, die Computer vor Ort nutzen, etwa zur Wohnungssuche oder für Bewerbungen, oder einfach eine kleine Auszeit in einer Sitzlounge geniessen.

Fast jeden Tag gäbe es Menschen, die für eine zusätzliche Wäsche bezahlen. Ein Mensch, der sich keine Wäsche leisten kann, kann dann mit dem Jeton bezahlen. «Das ist auch etwas anderes als dazustehen und darum bitten oder betteln zu müssen», meint Michael Wilke. Für ihn hat es mit Würde zu tun, dass alle auf irgendeine Art bezahlen müssen.

Treffpunkt für alle

Dadurch, dass der Waschsalon zunächst einfach als Dienstleistungs-Betrieb daherkommt, wird er zu einem Begegnungsort. Die Sozialarbeiterinnen Tamara Bregenzer und Ariane Fischer schätzen diesen Aspekt sehr.

Innenansicht eines Waschsalons mit Beschilderung.
Legende: Die Sozialarbeiterinnen im Waschsalon können Wege weisen und in Alltagsfragen weiterhelfen. Auch innerhalb der Kundschaft findet ein Austausch statt, über alle Unterschiede hinweg. So wäscht eine Hand die andere. SRF / Mirella Candreia

«Es gibt oft sehr schöne Momente. Wenn zum Beispiel ein Tourist Zürich entdecken will und eine Person ohne Zuhause nach coolen Plätzen fragt. Das sind solche Momente, die grossartig sind», sagt Tamara Bregenzer. Im Waschsalon gibt es aber nicht nur solch verbindende Momente. Die beiden Sozialarbeiterinnen erzählen, dass sie auch schon in «brenzlige Situationen» gekommen sind.

«Man lernt, sich abzugrenzen. Aber man muss trotzdem noch Anteil nehmen können. Das ist eine Herausforderung», meint Teamleiterin Ariane Fischer. Deshalb sei es wichtig, dass die Mitarbeitenden ausgebildet sind, erklärt Michael Wilke. Sie helfen den Kundinnen zum Beispiel bei der Wohnungs- oder Arbeitssuche.

Oftmals reicht es aber völlig aus, ein offenes Ohr zu bieten. Eine vermeintlich einfache Geste – mit waschechter Wirkung.

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SRF 2 Kultur, Perspektiven, 16.06.2024, 08:30 Uhr.

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