Als das Buch «Frauen im Laufgitter» gedruckt werden sollte, liefen die Schriftsetzer Sturm. Diese Männerbeleidigungen der Iris von Roten wollten sie sich nicht gefallen lassen. Doch ändern konnten sie nichts mehr. Eine Iris von Roten liess sich nicht aufhalten, im September 1958 lag die Erstausgabe vor.
Die Tücken des Ehejochs
Es war der Skandal schlechthin. Iris von Roten wetterte gegen die etablierte Männerherrschaft, die «ihre Interessen borniert und unverschämt verfolgt». Gegen die Frauen, denen es am Willen fehlt, für sich zu kämpfen: «Man lässt sich schubsen – je schwieriger ein Kampf wäre, um so widerspruchsloser – und hofft, sich einen Ehemann, beziehungsweise als Familienmutter, schadlos halten zu können.»
Die Juristin und Mutter von Roten stöhnte über undankbare Hausarbeit und die Tücken des Ehejochs. Sie sezierte die weibliche Sexualität, die nur ausgelebt werden konnte, wenn Frau sich «die Pflicht zur Flickerei, Kocherei und Putzerei für eine Familie aufhalst». Und sie verlangte das Frauenstimmrecht, einen Mutterschutz und eine Lohnkompensation bei Schwangerschaft. «Frauen im Laufgitter» ist ein weitsichtiges, analytisch scharfzüngiges und auch polemisches Buch.
Empörung pur
Kein Wunder also, dass sich die Schweizer Gesellschaft empörte. Kurz nach Erscheinen des Buches überschlugen sich die Schlagzeilen. Es war die Rede von der «Männerhasserin» Iris von Roten. Die ein «falsches Buch zur falschen Zeit» geschrieben habe. Ein Buch, «das besser nicht geschrieben worden wäre». Selbst an der Basler Fasnacht war das Laufgitter der Iris von Roten omnipräsent und wurde in diversen «Schnitzelbängg» aufs Korn genommen.
Doch nicht nur Männer fühlten sich vor den Kopf gestossen. Auch fast alle Frauenverbände lehnten das Buch ab. Es sei zu polemisch, zu gehässig. Bei der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit (SAFFA), die von Juli bis September 1958 stattfand, wurde das Buch ignoriert. Die SAFFA war nicht daran interessiert, die damalige Rolle der Frau grundsätzlich in Frage zu stellen. Ihnen ging es eher darum, die Frau als Hausherrin und Mutter zu präsentieren, die nur einen Beruf ausüben sollte, insofern es ihre Haushaltsrolle nicht beeinträchtigt.
«Frauen stehen sich selbst im Weg»
In den «Schaffhauser Nachrichten» erschien zum Ende der SAFFA ein Artikel, der es gut zusammenfasst: «Der Mann steht der Frau heute sicher nicht mehr in der Sonne. Deshalb ist sie längst keine Feindin des Mannes mehr, sondern mehr als je seine Verbündete».
Die Tochter von Iris von Roten – Hortensia von Roten – erklärt sich die Ablehnung vieler Frauen folgendermassen: «Frauen erkennen nicht gerne und geben nicht gerne zu, in was für einer lausigen Situation sie sich befinden.» Wer erkenne, der müsse reagieren, doch Frauen hätten oft Angst vor den Konsequenzen. Und es sei auch bequemer, die Augen vor der Wahrheit zu verschliessen.
Weitsichtig, intelligent, kompromisslos
Iris von Roten hatte offensichtlich an Tabus gerüttelt. Und das gewaltig. Das Beeindruckende an ihr ist, dass sie Forderungen formulierte, die erst Jahre oder gar Jahrzehnte später realisiert wurden: Das Frauenstimmrecht, das 1971 eingeführt wurde. Die Gleichstellung von Mann und Frau, die erst 1996 offiziell wurde. Eine Mutterschaftsversicherung, die erst 2005 eingeführt wurde.
Ihre Ideen zu einem selbstbestimmten Lebensentwurf der Frau sind auch heute noch äusserst lesenswert. Diese intelligente, kompromisslose Frau kann auch heute noch ein Vorbild sein. Denn nur mit derartiger Weitsichtigkeit lässt sich die Welt verändern.