Weisse kurze Haare, dunkle, wache Augen, eine tiefe Stimme und ein starker italienischer Akzent. «Ich habe vor meiner Heirat nie gekocht», erzählte Marcella Hazan in einem Interview. Flüssigkeit brachte sie ausschliesslich in einem Reagenzglas im Labor zum Brodeln. Denn eigentlich ist Marcella Hazan promovierte Biologin.
Ab nach Amerika
Als sie Victor Hazan heiratete, verliess sie ihre Heimat Italien und zog zu ihm in die USA.
«Ich konnte kein Wort Englisch. Ich konnte mich nur mit meinem Mann unterhalten», sagte sie. Und der erwartete – traditionellerweise – dass abends etwas Gutes auf den Tisch kam.
Die Legende besagt, dass Marcella Hazan einen chinesischen Kochkurs besuchen wollte. Der Lehrer fiel jedoch aus. Also brachte sie der kochwilligen Gruppe italienische Gerichte bei.
650 Rezepte, kein Englisch
Sie stöberte in einem alten Rezeptbuch und kramte in ihren Erinnerungen. Sie fand Gerüche und Aromen aus Italien, kaufte Gemüse auf dem Markt und fing an zu kochen.
Von den ersten Koch-Versuchen kamen bis zu ihrem Tod über 650 Rezepte zusammen. Kalamare mit Steinpilzfüllung, Fleischklösschen mit Tomaten, Salat von Randen-Blättern, warmer Blumenkohlsalat.
Ihre Kurse waren beliebt und gut besucht. So gut, dass die «New York Times» ihren Gastrokritiker vorbeischickte. Er forderte sie auf, ein Buch zu schreiben. Was sie zunächst ablehnte.
Denn sie konnte nicht auf Englisch schreiben. Sie schrieb die Rezepte dann doch auf – auf Italienisch. Ihr Mann Victor übersetzte sie ins Englische.
So führten mehrere Zufälle dazu, dass Marcella Hazan eine Koch-Bibel und damit ein Stück Kulturgeschichte schrieb. Das war in den 1970er-Jahren.
Zeitlos gut
Blättert man heute in den beiden auf Deutsch erschienenen Bänden, die über 900 Seiten umfassen, findet man kein einziges Foto. Einzig ein paar wenige Illustrationen zeigen, wie man mit Küchengeräten hantiert.
Dieses umfassende Werk wirkt daher zeitlos und wie ein Gegenpol zu allen Foodblogs, die man heutzutage im Netz findet. Marcella Hazan hat nichts mit Lifestyle zu tun. Ihre Gerichte sind einfach und klar. «Normales Essen» nannte sie ihre Küche. Vielleicht ist genau dieser Anspruch das Geheimnis ihrer Rezepte, die kein Verfallsdatum haben.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, 11.07.2017, Kultur aktuell, 06:50 Uhr