«Fifty Shades of Grey» war und ist ein riesiger globaler Erfolg. Die Story: Ein überaus attraktiver und immens reicher Mann verliebt sich in eine junge Frau, die am Anfang einer Verlagskarriere steht. Im ersten Band der Romantrilogie bringt er sie dazu, sich mit ihm sadomasochistischen Praktiken hinzugeben. In der zweiten Ausgabe gesteht er ihr seine Liebe und outet sich als ein in der Kindheit zutiefst verletzter Mensch. Auch sie zeigt ihm ihre seelische Verwundbarkeit. Im dritten Band schliesslich führen die beiden eine Ehe, in der sie erfolgreich den Kampf um gegenseitige Anerkennung und Selbstbehauptung führen.
Vor allem Frauen kaufen «Fifty Shades of Grey»
Dieser populäre, schlecht geschriebene Roman stammt aus der Feder einer heterosexuellen Frau, der Autorin E. L. James. Als ungemein erfolgreicher Liebesroman ist er für die Kultursoziologin Eva Illouz eine spannende Quelle, um etwas über Liebe und Sexualität in unserer Zeit zu erfahren.
Der Sadomasochismus diene hier, schreibt Illouz, nicht nur der erotischen Lust für die Romanfiguren und die Leserinnen. Vielmehr biete die Geschichte eine erzählerische Lösung für die Spannungen heterosexueller Liebesbeziehungen.
Der heterosexuelle Kampf
Illouz sieht es so: Die Forderung nach Gleichheit der Geschlechter kennt keine festgelegten Rollen mehr. Zugunsten von Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit werden sie in einer Liebesbeziehung immer wieder neu ausgehandelt. Beide Seiten müssen kämpfen. Denn, Autonomie und Bindung unter einen Hut bringen zu wollen, ist bekanntlich nicht leicht.
Dagegen, so Illouz, sei die sadomasochistische Sexualität eine hochgradig formalisierte Angelegenheit mit klaren Regeln. Man kann sich sicher fühlen, da alles in gegenseitiger Absprache ausgehandelt wird. Insofern zeige der Roman beispielhaft, wie die Unbestimmtheit zeitgenössischer Liebesbeziehungen mit der Bestimmtheit der Rollen und Positionen beim Sadomaso-Sex kompensiert werden können. Es handle sich um eine Spielart, die Entlastung bietet.
Die Selbstentdeckung
Der Bestseller «Fifty Shades of Grey» zeige gleichwertige Partner. In der Sexualität entdecken sie sich selbst, schreibt Illouz. Hier geht der Sex einer Liebesgeschichte voraus, früher war das umgekehrt. Da wurde die Sexualität ins rosafarbene Papier der romantischen Liebesgefühle gewickelt.
Aus soziologischer Perspektive mit Blick auf die westliche Kultur formuliert es die Autorin ganz allgemein so: «Die Stärkung der Normen von Autonomie, Gleichheit und Freiheit ging Hand in Hand mit der zunehmenden Normalisierung und Verbreitung von SM-Praktiken – fünf bis zehn Prozent haben heutzutage sadomasochistischen Sex.»