«Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist nicht bezahlbar; es ist ein Widerspruch zum menschlichen Wesen», sagt Peter Ruch. Ein Mensch möchte nicht einfach Geld bekommen, sondern etwas erarbeiten und sich am Ertrag erfreuen.
Der evangelisch-reformierte Pfarrer aus Küssnacht am Rigi vertritt dezidiert liberale Positionen, nach dem Motto: weniger (Sozial-)Staat, mehr Freiheit. Daher ist ein bedingungsloses Grundeinkommen für ihn nicht paradiesisch, sondern grotesk und gefährlich. In den westlichen Demokratien werde bereits reichlich staatliche Umverteilung praktiziert.
Gleichheit vor Gott
Seine Berufskollegin Cornelia Camichel Bromeis, evangelisch-reformierte Pfarrerin aus Davos Platz, widerspricht: «So, wie wir als Menschen sind, so sind wir von Gott gewollt und bedingungslos geliebt. Gott ist gnädig und barmherzig.» Das sei die Grundaussage der Reformation. In dieser Gleichheit vor Gott sieht sie das wichtigste Argument aus christlicher Sicht für ein bedingungsloses Grundeinkommen.
«Ein Grundeinkommen zeigt, was alles geleistet wird. Die gesamte Arbeit, die getan werden muss, kann getan werden, ohne dass man unbedingt einer Erwerbsarbeit nachgehen muss», sagt Camichel Bromeis. Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen werde endlich die sogenannte «Care-Arbeit» gewürdigt: Hausarbeit, Erziehung von Kindern oder Betreuung und Pflege von alten Menschen.
Ein Motivations-Killer
Für Peter Ruch hingegen ist die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens ein Motivations-Killer: «Gerade Menschen mit tieferem Einkommen haben keinen Anreiz mehr, zu arbeiten.» Ruch propagiert nach wie vor die biblische Devise: «Im Schweisse Deines Angesichts sollst Du Dein Brot essen.» Das ist für Peter Ruch nicht nur eine Drohung, sondern auch eine Verheissung.
Dem widerspricht Cornelia Camichel Bromeis: «Der Mensch will grundsätzlich etwas tun.» Das sehe man bereits bei Kindern, die sich entwickeln und lernen wollen. Der Mensch sei lernfähig. Sie selbst würde auch mit einem Grundeinkommen weiterarbeiten wollen.
Die Intitiative polarisiert auch bei weiteren Persönlichkeiten aus religiösen oder kirchlichen Kreisen. Die evangelisch-reformierte Theologin Ina Praetorius etwa gehört dem Initiativkomitee an. Auch Abt Urban Federer vom Kloster Einsiedeln hat sich in die Debatte eingeschaltet: «Wir arbeiten im Kloster nicht in erster Linie, um Geld zu verdienen, sondern brauchen Geld, um zu arbeiten, zu beten und für Bildung.» Der Abt und die Mönche erhalten denn auch keinen Lohn ausbezahlt.
Die Benediktiner leben nach dem Motto «Ora et Labora» – «Bete und Arbeite». Arbeit diene der menschlichen Selbstverwirklichung. In der Regel des heiligen Benedikt heisst es: «Allen sei alles gemeinsam und keiner nenne etwas sein eigen.» Dem Abt steht denn auch nicht mehr zur Verfügung als dem Bruder, der im Speisesaal die Tische reinigt.
Beiträge zum Thema
Keine Stellungnahme der Bischöfe
Urban Federer ist Mitglied der Schweizer Bischofskonferenz. «Die Bischofskonferenz wird zum konkreten Inhalt der Initiative nicht Stellung nehmen», erklärt deren Informationsbeauftragter Walter Müller. Ein Positionsbezug des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes SEK steht noch aus.
Fördert ein Grundeinkommen die Solidarität unter den Menschen oder das Schmarotzertum und eine «Hängematten-Mentalität»? Die Antwort auf diese Frage hängt massgeblich von der konkreten Ausgestaltung des Grundeinkommens ab. Hier liegen Vorschläge auf dem Tisch, welche von einer Ergänzung der bestehenden Sozialleistungen bis hin zur Abschaffung des Sozialstaats reichen.